28.10.2016

Zum Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist bei Ansprüchen des Urhebers eines Werkes der angewandten Kunst

Der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB bei Ansprüchen des Urhebers eines Werkes der angewandten Kunst, das einem Geschmacksmusterschutz zugänglich war und die Durchschnittsgestaltung nicht deutlich überragt, auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung nach § 32 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 UrhG oder § 32a Abs. 1 S. 1 UrhG ist auf den Schluss des Jahres 2014 hinausgeschoben. Entscheidend für das Hinausschieben des Beginns der Verjährungsfrist ist, dass Urhebern von Werken der angewandten Kunst eine Klageerhebung vor Veröffentlichung des Senatsurteils "Geburtstagszug" vom 13.11.2013 objektiv unzumutbar war.

BGH 16.6.2016, I ZR 222/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist selbständige Spielwarendesignerin. Die Beklagte stellt Spielwaren her und vertreibt sie. Die Klägerin hatte für die Beklagte im Jahr 1998 u.a. Entwürfe für einen Zug aus Holz, auf dessen Waggons sich Kerzen und Ziffern aufstecken lassen ("Geburtstagszug") gezeichnet. Im Jahr 2001 entwarf sie eine dem "Geburtstagszug" vergleichbare Tierkarawane ("Geburtstagskarawane"). Als Honorar erhielt sie für den "Geburtstagszug" und das Angelspiel jeweils 400 DM und für die "Geburtstagskarawane" 1.102 DM. Für den "Geburtstagszug" und die "Geburtstagskarawane" zeichnete sie im Jahr 2002 ergänzend die aufsteckbaren Ziffern 7, 8 und 9 (die ursprüngliche Ausstattung bestand nur aus den Ziffern 1 bis 6). Dafür erhielt sie 54 €.

Die Klägerin hielt ihre Entwürfe für urheberrechtlich geschützte Werke. Sie war der Ansicht, die vereinbarte Vergütung sei jedenfalls angesichts des großen Verkaufserfolgs der Artikel zu gering und nahm die Beklagte deshalb mit ihrer am 19.11.2009 bei Gericht eingegangenen Stufenklage auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung gem. § 36 UrhG a.F., §§ 32, 32a UrhG in Anspruch. LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin war hingegen erfolgreich. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und wies die Sache zurück, soweit hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Bezug auf Verwertungshandlungen, die nach dem 1.6.2004 vorgenommen worden waren, sowie hinsichtlich des Anspruchs auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung zum Nachteil der Klägerin erkannt worden war (BGH-Urt. v. 13.11.2013, Az.: I ZR 143/12 - Geburtstagszug).

Im zweiten Rechtszug hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin im Umfang der Aufhebung und Zurückverweisung erneut zurückgewiesen. Auf die weitere Revision der Klägerin hob der BGH das zweite Berufungsurteil insoweit auf, als hinsichtlich des auf die "Geburtstagskarawane" bezogenen An-spruchs auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Bezug auf Verwertungshandlungen, die nach dem 1.6.2004 vorgenommen worden war, sowie hinsichtlich des auf die "Geburtstagskarawane" bezogenen Anspruchs auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung zum Nachteil der Klägerin erkannt worden war und wies die Sache nochmals an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die auf die "Geburtstagskarawane" bezogenen Ansprüche auf angemessene Vergütung gem. § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG und weitere Beteiligung an Erträgen und Vorteilen aus Verwertungshandlungen, die nach dem 1.6.2004 vorgenommen wurden (§ 32a Abs. 1 S. 2 UrhG), sind - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht verjährt. Entsprechendes gilt für den auf die "Geburtstagskarawane" bezogenen Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung.

Das Berufungsgericht hatte angenommen, die zunächst entstandenen Ansprüche auf Auskunftserteilung und (weitere) angemessene Vergütung seien seit dem 31.12.2006 verjährt. Es sei zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, dass in unverjährter Zeit erneut Ansprüche auf Auskunftserteilung und (weitere) angemessene Vergütung entstanden seien. Dafür sei jedoch nichts dargetan. Nach einer Anpassung der Vergütung gem. §§ 32, 32a UrhG sei die neu vereinbarte Vergütung Maßstab für die Angemessenheit oder die Verhältnismäßigkeit. Bei einer Anpassung der Vergütung wäre eine prozentuale Beteiligung vereinbart worden. Nach der Vereinbarung einer prozentualen Beteiligung hätte ein unerwartet großer weiterer Verkaufserfolg die Angemessenheit der Vergütung nicht in Frage gestellt.

Diese Beurteilung hielt einer rechtlichen Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren eines im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2001 oder 2002 entstandenen Anspruchs aus § 32 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 UrhG auf angemessene Vergütung und von mit Vornahme der jeweiligen Verwertungshandlungen entstandenen Ansprüchen aus § 32a Abs. 1 S. 1 UrhG auf weitere Beteiligung an den Erträgen und Vorteilen aus der Verwertung des Werkes in Bezug auf Verwertungshandlungen, die nach dem 1.6.2004 vorgenommen worden waren, auf den Schluss des Jahres 2014 hinausgeschoben war. Nach BGH-Rechtsprechung setzt der Verjährungsbeginn aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit zwar grundsätzlich allein die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel aber, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht.

Infolgedessen ist der Beginn der Verjährung von Ansprüchen des Urhebers eines Werkes der angewandten Kunst, das einem Geschmacksmusterschutz zugänglich war und die Durchschnittsgestaltung nicht deutlich überragt, auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung nach § 32 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 UrhG oder § 32a Abs. 1 S. 1 UrhG auf den Schluss des Jahres 2014 hinausgeschoben. Der BGH hatte durch sein im Jahr 2014 veröffentlichtes erstes Revisionsurteil im vorliegenden Rechtsstreit eine Rechtsprechung aufgegeben, dass bei Werken der angewandten Kunst, die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, höhere Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werkes zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst, und der urheberrechtliche Schutz solcher Werke der angewandten Kunst daher ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung voraussetzt.

Bis zur Veröffentlichung des Senatsurteils "Geburtstagszug" im Jahr 2014 konnte aber selbst ein rechtskundiger Schöpfer eines Werkes der angewandten Kunst oder des Entwurfs eines solchen Werkes nicht zuverlässig einschätzen, ob und gegebenenfalls inwieweit der BGH seine Rechtsprechung ändert. Dem Urheber eines Werkes der angewandten Kunst, das einem Geschmacksmusterschutz zugänglich war und die Durchschnittsgestaltung nicht deutlich überragt, war es daher erst nach der Veröffentlichung des Senatsurteils "Geburtstagszug" im Jahr 2014 zumutbar, Ansprüche auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung nach § 32 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 UrhG und § 32a Abs. 1 S. 1 UrhG im Wege der Klage geltend zu machen. Entgegen der Ansicht des OLG war es unerheblich, ob die Klägerin bereits vor dem 1.6.2004 vom Werkcharakter ihres Entwurfs und dem Bestehen von Ansprüchen auf weitere Vergütung ausgegangen war. Entscheidend für das Hinausschieben des Beginns der Verjährungsfrist ist, dass Urhebern von Werken der angewandten Kunst eine Klageerhebung vor Veröffentlichung des Senatsurteils "Geburtstagszug" vom 13.11.2013 objektiv unzumutbar war.

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