28.07.2016

Zum Transparenzgebot bei Unterschwellenvergaben

Ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, bedarf es im Unterschwellenbereich auch bei der Zulassung von Nebenangeboten nicht in jedem Fall der Festlegung von Kriterien zur Angebotswertung. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn ohne ausdrücklich formulierte Wertungskriterien das wirtschaftlichste Angebot nicht nach transparenten und willkürfreien Gesichtspunkten bestimmt werden kann.

BGH 10.5.2016, X ZR 66/15
Der Sachverhalt:
Die beklagte Gemeinde machte im April 2013 eine öffentliche Ausschreibung nach den Basisparagrafen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) bekannt, die den Abbruch einer Industriebrache mit Ausführung von Abbruchleistungen, Recycling des Abbruchguts und Geländeauffüllung zum Gegenstand hatte. Nach dem Bekanntmachungstext waren Nebenangebote zugelassen. Als Teil der Vergabeunterlagen verwendete die Beklagte das Formblatt 211 des Vergabehandbuchs Bayern. Auf die Angaben zu Nebenangeboten folgten im Formblatt 211 unter dem Gliederungspunkt sechs Rubriken, in denen Wertungskriterien durch Ankreuzen festgelegt werden konnten, und zwar alternativ für Straßen- und Hochbau. In diesen Rubriken war nichts angekreuzt worden. Die zu den Vergabeunterlagen gehörenden Bewerbungsbedingungen (Anlage B3) enthielten Klauseln.

Im Submissionstermin erwies sich das Angebot der Klägerin als das preiswerteste Hauptangebot. Die Beklagte erteilte den Zuschlag indes auf ein günstigeres Nebenangebot. Daraufhin verlangte die Klägerin von der Beklagten den ihr entgangenen Gewinn ersetzt. Sie machte geltend, ihr hätte der Zuschlag erteilt werden müssen, weil Nebenangebote nach Nummer 5.2 des Formblatts 211 nur für Straßenbauarbeiten zugelassen gewesen seien, denen der ausgeschriebene Auftrag aber nicht zuzurechnen sei; Nebenangebote hätten zudem nicht gewertet werden dürfen, weil dafür keine Mindestanforderungen bestimmt gewesen seien; schließlich habe der Wertung von Nebenangeboten nicht anders als im Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen entgegengestanden, dass der Preis als einziges Wertungskriterium vorgesehen gewesen sei.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auch die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin vor dem BGH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hatte angenommen, dass die Bieter erkennen konnten, dass der Zuschlag gem. § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A 2012 auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden sollte, für dessen Ermittlung verschiedene Wertungskriterien in Betracht kommen. Das wirtschaftlichste Angebot ist dabei nicht das Angebot mit dem niedrigsten Angebotspreis, sondern das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis; § 16 Abs. 6 Nr. 3 S. 3 VOB/A 2012 besagt demgemäß ausdrücklich, dass der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend ist. Dies entspricht auch insoweit der Rechtslage nach § 127 Abs. 1 GWB in der Fassung des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes. Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich danach nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.

Die Zulassung der Revision war ebenso wenig zur Klärung der Frage geboten, ob auch im Unterschwellenbereich die Zulassung von Nebenangeboten die Formulierung von Mindestanforderungen und die Festsetzung transparenter Wertungskriterien erfordert. Ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, bedarf es im Unterschwellenbereich auch bei der Zulassung von Nebenangeboten nicht in jedem Fall der Festlegung von Kriterien zur Angebotswertung. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn ohne ausdrücklich formulierte Wertungskriterien das wirtschaftlichste Angebot nicht nach transparenten und willkürfreien Gesichtspunkten bestimmt werden kann (Abgrenzung zum BGH-Urt. v. 8.9.1998, Az.: X ZR 109/96).

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