26.09.2014

Zum Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses bei den Inhabern ausschließlicher Nutzungsrechte und den Anbietern entsprechender Produkte

Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht nicht nur dann, wenn zwei Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen. Es besteht auch dann regelmäßig ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn die eine Partei als Inhaber eines Schutzrechts oder als Inhaber von ausschließlichen Nutzungsrechten an einem Schutzrecht die Herstellung oder den Vertrieb eines von diesem Schutzrecht erfassten Produktes lizenziert und die andere Partei dem Schutzrecht entsprechende Produkte anbietet oder vertreibt.

BGH 10.4.2014, I ZR 43/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Gesellschaft zur Entwicklung und Vermarktung eigener und fremder Schutzrechte. Sie ist seit Juni 2011 Inhaberin des ausschließlichen Nutzungsrechts an einem Europäischen Patent über die "Verwendung eines biokompatiblen Werkstoffes aus Edelmetall mit einer martensitischen Randschicht für Uhren, Uhrenteile und Schmuck", das die Herstellung von nickelfreiem Edelstahl ermöglicht. Die Klägerin ist berechtigt, ausschließliche Unterlizenzen an diesem Patent zu vergeben. Sie trägt vor, sie habe mit drei Unternehmen jeweils einen entsprechenden Unterlizenzvertrag geschlossen.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführerin die Beklagte zu 2) ist, handelt mit Schmuck. Sie warb im Juni und im Juli 2011 auf ihrer Internetseite für Edelstahlketten mit der Angabe "nickelfrei". Die Klägerin erwarb zwei dieser Ketten und ließ diese nach ihrer Darstellung chemisch analysieren. Sie mahnte die Beklagten mit der Begründung ab, die Ketten seien nicht nickelfrei, sondern wiesen einen Nickelanteil mehr als 8 Prozent auf.

Die Klägerin hält die Werbung der Beklagten für irreführend und daher nach §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG für wettbewerbswidrig. Sie beantragte, es den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, Schmuckwaren mit "nickelfrei" zu bewerben, sofern Nickel zulegiert wurde. Darüber hinaus begehrt sie Auskunftserteilung, die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten sowie Freistellung von Abmahnkosten.

LG und OLG gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Freistellung von Abmahnkosten zu.

Sämtliche von der Klägerin gegenüber den Beklagten erhobenen Ansprüche setzen voraus, dass es sich bei der Klägerin und der Beklagten zu 1) um Mitbewerber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG handelt. Nach der Legaldefinition der Vorschrift ist "Mitbewerber" jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Das OLG hat angenommen, die Klägerin und die Beklagte zu 1) stünden in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis, weil beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchten. Mit dieser Begründung kann ein konkretes Wettbewerbsverhältnis allerdings nicht bejaht werden.

Die Klägerin und die Beklagte zu 1) versuchen nicht, gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen. Die Entwicklung und Vermarktung eigener und fremder Schutzrechte durch die Klägerin einerseits und der Handel mit Schmuck durch die Beklagte zu 1) andererseits sowie - konkret - das Angebot ausschließlicher Unterlizenzen an einem Europäischen Patent, das die Herstellung von nickelfreiem Edelstahl als Werkstoff für Schmuck ermöglicht, durch die Klägerin einerseits und das Angebot "nickelfreier" Edelstahlketten durch die Beklagte zu 1) andererseits, betreffen keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen. Die Dienstleistung eines Lizenzgebers und das Warenangebot eines Händlers sind nicht gleichartig.

Zwischen der Klägerin und der Beklagte zu 1) besteht aber ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, weil das Angebot "nickelfreier" Edelstahlketten durch die Beklagte zu 1) die Klägerin in der Vermarktung ihres Patents durch die Vergabe von Unterlizenzen beeinträchtigen kann. Es genügt, wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht insoweit regelmäßig dann, wenn der Betroffene als Inhaber eines Schutzrechts oder als Inhaber von ausschließlichen Nutzungsrechten an einem Schutzrecht die Herstellung oder den Vertrieb eines von diesem Schutzrecht erfassten Produktes lizenziert und der Verletzer gleichartige Produkte anbietet oder vertreibt.

Nach diesen Maßstäben besteht zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, auch wenn sie keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen anbieten. Die Klägerin vergibt als Inhaberin des ausschließlichen Nutzungsrechts an einem Europäischen Patent über die "Verwendung eines biokompatiblen Werkstoffes aus Edelmetall mit einer martensitischen Randschicht für Uhren, Uhrenteile und Schmuck", das die Herstellung von nickelfreiem Edelstahl ermöglicht, ausschließliche Unterlizenzen an diesem Patent. Die Beklagte zu 1) vertreibt von ihr als "nickelfrei" bezeichnete Edelstahlketten und damit Produkte, die den Produkten gleichartig sind, die vom Patent der Klägerin erfasst werden und aufgrund der von der Klägerin erteilten Unterlizenzen hergestellt werden dürfen. Das Angebot "nickelfreier" Edelstahlketten durch die Beklagte zu 1) kann die Klägerin in der Vermarktung ihres Patents durch die Vergabe von Unterlizenzen stören, da der Erfolg der Vermarktung des Patents von dem Erfolg der Vermarktung der vom Patent erfassten Schmuckwaren aus nickelfreiem Edelstahl abhängt.

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