05.03.2015

Zur Einstufung aller Modelle eines potenziell fehlerhaften medizinischen Geräts als fehlerhaft

Hat ein medizinisches Gerät einen potenziellen Fehler, können alle Produkte desselben Modells als fehlerhaft eingestuft werden. Der Hersteller eines solchen fehlerhaften Geräts muss die Kosten im Zusammenhang mit dessen Austausch erstatten, wenn dieser erforderlich ist, um das Sicherheitsniveau wiederherzustellen, das erwartet werden darf.

EuGH 5.3.2015, C-503/13 u.a.
Der Sachverhalt:
Ein Unternehmen vertreibt in Deutschland Herzschrittmacher sowie implantierbare Cardioverte Defibrillatoren. Von dem Unternehmen später durchgeführte Qualitätskontrollen zeigten, dass diese Produkte fehlerhaft sein und eine Gefahr für die Patienten darstellen konnten. Deshalb empfahl der Hersteller den Ärzten, die den Patienten implantierten Schrittmacher durch andere, kostenlos zur Verfügung gestellte Schrittmacher zu ersetzen. Parallel dazu empfahl der Hersteller den behandelnden Ärzten, einen Schalter bei den Defibrillatoren zu deaktivieren. Die Versicherer der Personen, deren Herzschrittmacher oder Defibrillator ausgetauscht wurde, verlangen vom Hersteller die Erstattung der Kosten im Zusammenhang mit den Eingriffen.

Der mit dem Rechtsstreit zwischen den Versicherern und dem diese medizinischen Geräte vertreibenden Unternehmen befasste BGH möchte vom EuGH wissen, ob die ausgetauschten Geräte im vorliegenden Fall als fehlerhaft eingestuft werden können, obwohl speziell bei diesen Geräten kein Fehler festgestellt wurde, aber vom Hersteller bei Geräten desselben Modells durchgeführte Qualitätskontrollen einen potenziellen Fehler offenbarten. Der BGH fragt außerdem, ob es sich bei den Kosten für den Austausch dieser Produkte um einen Schaden handelt, den der Hersteller nach der Richtlinie 85/374/EWG über fehlerhafte Produkte zu erstatten hat. Diese sieht vor, dass der Hersteller eines Produkts für den Schaden haftet, der durch einen Fehler dieses Produkts verursacht worden ist.

Der EuGH gab den Vertragsverletzungsklagen der Kommission statt.

Die Gründe:
Die in Rede stehenden medizinischen Geräte unterliegen in Anbetracht ihrer Funktion und der Verletzlichkeit der sie nutzenden Patienten besonders hohen Sicherheitsanforderungen. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass der potenzielle Sicherheitsmangel dieser Produkte, der die Haftung des Herstellers auslöst, in der anormalen Potenzialität des Personenschadens besteht, der durch sie verursacht werden kann.

Daher können bei Feststellung eines potenziellen Fehlers eines medizinischen Geräts alle Produkte desselben Modells als fehlerhaft eingestuft werden, ohne dass der Fehler des Produkts in jedem Einzelfall nachgewiesen zu werden braucht. Im Übrigen handelt es sich bei den Kosten im Zusammenhang mit dem Austausch der Herzschrittmacher, der auf die vom Hersteller selbst ausgesprochenen Empfehlungen zurückgeht, um einen Schaden, für den der Hersteller nach der Richtlinie haftet.

Im Fall der implantierbaren Cardioverten Defibrillatoren, bei denen der Hersteller lediglich die Deaktivierung eines Schalters empfohlen hat, ist es insoweit Sache des BGH, zu prüfen, ob eine solche Deaktivierung geeignet ist, den Fehler der Produkte zu beseitigen, oder ob hierfür ihr Austausch erforderlich ist.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 31 vom 5.3.2015
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