27.07.2011

Zur Grenzziehung zwischen Branchenähnlichkeit und Branchenunähnlichkeit bei der Verwechslungsgefahr

Grenzziehungen zwischen Branchenähnlichkeit und Branchenunähnlichkeit bei der Verwechslungsgefahr i.S.d. § 15 Abs. 2 MarkenG sind ebenso wie diejenigen zwischen Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit und -unähnlichkeit bei der Verwechslungsprüfung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht von der Kennzeichnungskraft des Klagekennzeichens abhängig. Von einer Unähnlichkeit kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Kennzeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Tätigkeitsfelder von vornherein ausgeschlossen ist.

BGH 20.1.2011, I ZR 10/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war im Februar 1996 in das Handelsregister eingetragen worden und benutzt die Unternehmensbezeichnung "BCC Unternehmensberatung GmbH". Sie ist im Bereich Informationstechnologie und Informationsmanagement tätig, wozu insbesondere die Entwicklung, der Vertrieb, die Installation und die Wartung von Software und Dienstleistungen im Bereich der IT-Sicherheit gehören.

Die Beklagte ist seit September 1997 zunächst mit der Unternehmensbezeichnung "bcc - Braunschweiger Communication Carrier GmbH" und seit Ende 2002 mit der Firmierung "BCC Business Communication Company GmbH" im Handelsregister eingetragen. Sie erbringt ihre Dienstleistungen ebenfalls im Bereich der Informationstechnologie. Sie plant, integriert und betreibt IT-Infrastrukturen und hebt in diesem Zusammenhang ihre Erfahrungen im Bereich der IT-Sicherheit hervor.

Die Klägerin behauptete, sie biete seit Februar 1996 ihre Dienstleistungen bundesweit unter der Bezeichnung "BCC" an. Sie war der Ansicht, zwischen ihrem Firmenschlagwort "BCC" und der von der Beklagten verwendeten Unternehmensbezeichnung, den Marken und dem Domainnamen der Beklagten bestehe Verwechslungsgefahr. Das LG gab der Unterlassungs- und Schadensersatzklage statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hatte zu Unrecht eine Verwechslungsgefahr i.S.d. § 15 Abs. 2 MarkenG wegen (absoluter) Branchenunähnlichkeit im Hinblick auf die Tätigkeitsbereiche der Parteien verneint.

Das OLG war von einem unzutreffenden Maßstab bei der Beurteilung der Branchennähe ausgegangen und hatte nicht alle relevanten Tätigkeitsfelder der Klägerin in die Beurteilung einbezogen. Die Grenzziehung zwischen Branchenähnlichkeit und Branchenunähnlichkeit bei der Verwechslungsgefahr i.S.d. § 15 Abs. 2 MarkenG ist ebenso wie diejenige zwischen Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit und -unähnlichkeit bei der Verwechslungsprüfung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht von der Kennzeichnungskraft des Klagekennzeichens abhängig. Von einer Unähnlichkeit der Branchen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Kennzeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Tätigkeitsfelder von vornherein ausgeschlossen ist.

Im vorliegenden Fall boten beide Parteien ihren Kunden Sicherheitslösungen für ihre IT-Infrastrukturen an. Bestehen die Geschäftsfelder der Parteien in der Erbringung von Dienstleistungen, ist zur Beurteilung der Branchennähe regelmäßig auf diese Dienstleistungen und nicht auf die Mittel abzustellen, deren sich die Parteien hierbei bedienen. Infolgedessen rechtfertigte dies die vom LG angenommene teilweise Branchenidentität oder hochgradige Branchenähnlichkeit. Dass die Dienstleistungen im Bereich der IT-Sicherheit für das Tätigkeitsfeld der Parteien nicht typisch sind, sondern nur zu vernachlässigende Randbereiche betreffen, hatte das OLG nicht festgestellt.

Die Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Tätigkeitsfeldern der Parteien und zur Ähnlichkeit der Branche, in der die Klägerin tätig ist, mit den Waren und Dienstleistungen, die von den Unterlassungsanträgen erfasst werden, ließen eine abschließende Beurteilung der Branchennähe und der Verwechslungsgefahr i.S.d. § 15 Abs. 2 MarkenG durch nicht zu. Im weiteren Verfahren muss die Klägerin daher zur Branchennähe im Hinblick auf jede der Dienstleistungen im Einzelnen vortragen. Entsprechendes gilt für die Waren, die von den Klageanträgen erfasst werden.

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