16.09.2014

Zur Haftung einer Online-Bank bei unvollständigen Angaben auf einer eigens eingerichteten Internetseite mit Informationen zu Wertpapieren

Eine Online-Bank haftet nicht für unvollständige Angaben in einer eigens eingerichteten Internetseite, auf der über eine Suchmaske Informationen zu mehr als 1 Mio. Wertpapieren abgerufen werden können (sog. "informer"). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die dort erteilten Auskünfte ersichtlich nicht abschließend sein sollen und die Bank für die Richtigkeit der dort niedergelegten Informationen zu über 1 Mio. Anlagen ersichtlich nicht haften will.

Schleswig-Holsteinisches OLG 2.6.2014, 5 U 67/14
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine Direktbank. Aus ihren AGB ergibt sich, dass sie ihren Kunden keine Beratung anbietet, sondern nur deren Aufträge ausführt ("execution only"). Der Kläger war und ist Kunde der Beklagten; er unterhält bei ihr ein Girokonto, ein Tagesgeldkonto und ein Wertpapierdepot.

Die Beklagte stellt ihren Kunden im Internet einen sog. "informer" zur Verfügung. Auf dieser Internetseite findet sich eine Suchmaske, mit deren Hilfe die Kunden Informationen zu ca. 1,17 Mio. Wertpapieren abfragen können. In den AGB zur Nutzung dieses "informers" erklärt die Beklagte, keine Gewähr für Vollständigkeit, Richtigkeit oder Genauigkeit der Informationen zu übernehmen. Ferner schloss und schließt die Beklagte in den AGB ihre Haftung für einfache Fahrlässigkeit aus.

Der Kläger nutzte den "informer". Er fand dort eine Information zu einer Anleihe der C-bank AG AAL Classic, in der es u.a. heißt: "Rückzahlungskurs: 100 Prozent." Diese Anleihe konnte der Emittent, also die C-bank AG, unter bestimmten Bedingungen nicht in Geld, sondern in Aktien zurückzahlen; ein Hinweis darauf findet sich in der Beschreibung auf dem "informer" nicht. Der Kläger erwarb im Juni 2011 zweimal über die Beklagte die vorgenannten Anleihen im Nennbetrag von jeweils 20.000 €. Bei Ende der Laufzeit der Anleihe löste der Emittent die Anleihe durch Lieferung von 11.080 Aktien ein.

Das LG wies die auf Schadensersatz gerichtete Klage ab. Die Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch zu.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus Prospekthaftung zu. Sowohl gesetzliche als auch richterrechtliche Ansprüche aus Prospekthaftung setzen voraus, dass der Kläger einen Prospekt erhalten hat. Prospekt in diesem Sinne ist eine marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthält oder den Anschein eines solchen Inhalts erweckt. Danach ist die Beschreibung der streitgegenständlichen Anleihe in dem "informer" der Beklagten ersichtlich kein Prospekt. Sie erweckt nicht im Ansatz den Anschein, die Anlage umfassend zu beschreiben.

Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Pflichten aus einem im Rahmen eines Anlagevermittlungsverhältnisses geschlossenen Auskunftsvertrages zu (§ 280 Abs. 1 BGB). Ein solcher Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen kommt im Rahmen der Anlagevermittlung stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Vorliegend fehlt es an einem Angebot der Beklagten auf Abschluss eines derartigen Auskunftsvertrages. Die Auslegung des "informers" der Beklagten von einem objektivierten Empfängerhorizont her ergibt, dass die dort erteilten Auskünfte ersichtlich nicht abschließend sein sollen und die Beklagte für die Richtigkeit der dort niedergelegten Informationen zu über 1 Mio. Anlagen ersichtlich nicht haften will.

Die Beklagte haftet dem Kläger auch nicht wegen der Verletzung einer Warnpflicht aus dem zwischen ihnen bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag. Eine Warnpflicht als Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) besteht nach den Umständen des Einzelfalls dann, wenn der Discount-Broker, hier also die Beklagte erkennt, dass die Aufträge des Kunden von dessen zuvor erklärten Zielvorstellungen deutlich abweichen, wenn für ihn klar erkennbar ist, dass Tragweite und Risiko des Auftrags falsch eingeschätzt werden oder wenn der Discount-Broker eine tatsächlich bestehende Aufklärungsbedürftigkeit des Kunden erkennt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat. Diese Voraussetzungen liegen allesamt nicht vor.

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