15.11.2012

Zur Haftung von Eltern für illegales Filesharing ihrer minderjährigen Kinder

Eltern haften für das illegale Filesharing eines 13-jährigen Kindes grundsätzlich nicht, wenn sie das Kind zuvor über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt haben und keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass ihr Kind diesem Verbot zuwiderhandelt. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht.

BGH 15.11.2012, I ZR 74/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen sind Tonträgerhersteller und Inhaber ausschließlicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte an zahlreichen Musikaufnahmen. Bei den Beklagten handelt es sich um ein Ehepaar.

Im Januar 2007 wurden nach den Ermittlungen eines von den Klägerinnen beauftragten Unternehmens in einer Internettauschbörse unter einer bestimmten IP-Adresse 1147 Audiodateien zum kostenlosen Herunterladen angeboten. Die Klägerinnen stellten Strafanzeige gegen Unbekannt und teilten der Staatsanwaltschaft die IP-Adresse mit. Es stellte sich schließlich raus, dass die IP-Adresse zur fraglichen Zeit dem Internetanschluss der Beklagten zugewiesen war.

Die Beklagten haben den Internetanschluss auch ihrem damals 13 Jahre alten Sohn zur Verfügung gestellt, dem sie zu seinem 12. Geburtstag den gebrauchten PC des Beklagten zu 1) überlassen hatten. Bei einer Durchsuchung der Wohnung der Beklagten im August 2007 wurde der PC des Sohnes beschlagnahmt. Darauf waren die Tauschbörsenprogramme "Morpheus" und "Bearshare" installiert; das Symbol des Programms "Bearshare" war auf dem Desktop des PC zu sehen. Die Klägerinnen ließen die die Beklagten daraufhin durch einen Rechtsanwalt abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Die Beklagten gaben die Unterlassungserklärung ab, weigerten sich jedoch, Schadensersatz und die Abmahnkosten zu zahlen.

Die Klägerinnen nahmen die Beklagten wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von 15 Musikaufnahmen auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 200 € je Titel, insgesamt also 3.000 € nebst Zinsen sowie auf Erstattung von Abmahnkosten i.H.v. rund 2.380 € in Anspruch. LG und OLG gaben der Klage statt. Das Berufungsgericht nahm eine Haftung der Beklagten nach § 832 Abs. 1 BGB für den durch das illegale Filesharing ihres minderjährigen Sohnes entstandenen Schaden an, weil sie ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt hätten. Hätten sie auf dem Computer ihres Sohnes eine Firewall und ein Sicherheitsprogramm installiert, das bezüglich der Installation weiterer Programme auf "keine Zulassung" gestellt gewesen wäre, hätte ihr Sohn die Filesharingsoftware nicht installieren können. Hätte der Beklagte zu 1) den PC seines Sohnes monatlich überprüft, hätte er die von seinem Sohn installierten Programme bei einem Blick in die Softwareliste oder auf den Desktop des Computers entdecken müssen.

Auf die Revision der Beklagten hob der BGH die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Beklagten haften den Klägerinnen gegenüber wegen des illegalen Filesharings ihres minderjährigen Sohnes nicht aus Verletzung ihrer elterlichen Aufsichtspflicht.

Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kindes, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 193 vom 15.11.2012
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