29.11.2013

Zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke auf elektronischen Lernplattformen von Universitäten

Eine Universität darf den Teilnehmern einer Lehrveranstaltung Teile eines urheberrechtlich geschützten Werkes auf einer elektronischen Lernplattform zur Verfügung stellen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass diese Teile höchstens 12 Prozent des Gesamtwerks und nicht mehr als 100 Seiten ausmachen und dass der Rechtsinhaber der Universität keine angemessene Lizenz für die Nutzung angeboten hat.

BGH 28.11.2013, I ZR 76/12
Der Sachverhalt:
Der klagende Alfred Kröner Verlag ist Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem von ihm verlegten 528 Textseiten umfassenden Buches "Meilensteine der Psychologie". Die Beklagte ist die Fernuniversität in Hagen. Sie stellte mehr als 4.000 Studierenden, die im Bachelor-Studiengang Psychologie den Kurs "Einführung in die Psychologie und ihre Geschichte" belegt hatten, 14 vollständige Beiträge mit insgesamt 91 Seiten aus "Meilensteine der Psychologie" auf einer elektronischen Lernplattform als PDF-Datei zum Lesen, Ausdrucken und Abspeichern zur Verfügung. Ein Angebot des Klägers zum Abschluss eines Lizenzvertrages lehnte die Beklagte ab.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe damit das Urheberrecht an dem Werk verletzt. Er nahm die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch und beantragte die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht. Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, sie sei nach der Schrankenregelung des § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG zur fraglichen Nutzung berechtigt. Danach ist es zulässig, veröffentlichte kleine Teile eines Werkes zur Veranschaulichung im Unterricht an Hochschulen ausschließlich für den bestimmt abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies zu dem jeweiligen Zweck geboten und zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist.

Das LG gab der Klage teilweise statt; das OLG gab ihr vollumfänglich statt. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG berufen, weil die auf der Lernplattform eingestellten Beiträge nicht als "kleine" Teile des Werkes "Meilensteine der Psychologie" anzusehen seien und auch nicht zur Veranschaulichung im Unterricht gedient hätten. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Unter "kleinen" Teilen eines Werkes sind höchstens 12 Prozent des gesamten Werkes zu verstehen. Das ergibt sich aus einem zwischen der Verwertungsgesellschaft Wort und den Bundesländern geschlossenen "Gesamtvertrag zur Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG für das Öffentlich-Zugänglichmachen von Werken für Zwecke des Unterrichts an Schulen", der gleichfalls Sprachwerke betrifft.

Darüber hinaus ist eine - vom BGH mit 100 Seiten definierte - Höchstgrenze erforderlich, weil ansonsten ganze Bände eines mehrbändigen Werkes ohne Einwilligung des Urhebers öffentlich zugänglich gemacht werden dürften. Die Beklagte hätte demzufolge grundsätzlich bis zu 63 Seiten des Werkes "Meilensteine der Psychologie" auf der Lernplattform einstellen dürfen.

Das Einstellen der Beiträge diente auch der Veranschaulichung im Unterricht. Dem steht, im Gegensatz zur Ansicht des OLG, nicht entgegen, dass sie den Unterrichtsstoff nicht nur verdeutlicht, sondern auch ergänzt haben. Anders als das OLG meint, erlaubt die Schrankenregelung des § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG auch nicht nur ein Bereithalten kleiner Teile eines Werkes zum Lesen am Bildschirm. Vielmehr gestattet sie deren Zugänglichmachen auch dann, wenn Unterrichtsteilnehmern dadurch ein Ausdrucken und Abspeichern der Texte ermöglicht wird.

Allerdings ist ein Zugänglichmachen nicht i.S.v. § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG geboten, wenn der Rechtsinhaber der Hochschule eine angemessene Lizenz für die fragliche Nutzung angeboten hat. Die Sache war daher an das OLG zurückzuverweisen, das nun die Angemessenheit des Lizenzangebots des Klägers zu prüfen hat.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 194 vom 29.11.2013
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