23.06.2014

Zur Prüfung der Eigenart eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters

Im Rahmen einer Verletzungsklage ist ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster als rechtsgültig anzusehen, wenn sein Inhaber angibt, inwiefern es Eigenart aufweist. Die Eigenart ist nicht durch Vergleich mit möglichen Kombinationen von Elementen von verschiedenen älteren Geschmacksmustern, sondern durch Vergleich mit einem oder mehreren individuellen, der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Geschmacksmustern zu prüfen.

EuGH 19.6.2014, C-345/13
Der Sachverhalt:
Im Jahr 2005 entwarf das auf Fertigung und Verkauf von Damenbekleidung spezialisierte britische Unternehmen KMF, ein gestreiftes Hemd sowie ein schwarzes Strickoberteil und brachte beides in Irland in Verkauf. Vertreter der irischen Handelskette Dunnes Stores erwarben Exemplare dieser Kleidungsstücke in einem der irischen Einzelhandelsgeschäfte von KMF. Dunnes ließ daraufhin Kopien der Kleidungsstücke fertigen, die sie Ende 2006 in ihren irischen Geschäften in den Verkauf brachte. Im Januar 2007 strengte KMF ein Verfahren vor den irischen Gerichten an, um Dunnes die Benutzung seiner nicht eingetragenen Geschmacksmuster untersagen zu lassen. KMF verlangte des Weiteren Schadensersatz für die nicht genehmigte Benutzung der in Rede stehenden Geschmacksmuster.

Dunnes trägt vor, dass KMF nicht Inhaberin der nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster sei, da sie deren Eigenart nicht nachgewiesen habe. In diesem Zusammenhang macht Dunnes geltend, dass die Eigenart nicht nur durch Vergleich mit einem oder mehreren Geschmacksmustern, die der Öffentlichkeit früher zugänglich gemacht worden seien, sondern auch durch Vergleich mit Kombinationen isolierter Elemente von mehreren älteren Geschmacksmustern zu beurteilen sei. Nach Auffassung von Dunnes kann ein Geschmacksmuster keine Eigenart haben, wenn es sich um eine bloße Zusammensetzung aus spezifischen Elementen oder Teilen von älteren Geschmacksmustern handele.

Der mit dem Rechtsstreit befasste Oberste Gerichtshof Irlands möchte vom EuGH wissen, ob die Eigenart der in Rede stehenden Geschmacksmuster allein durch Vergleich mit einem oder mehreren älteren Geschmacksmustern, oder auch durch Vergleich mit Kombinationen isolierter Elemente von mehreren älteren Geschmacksmustern zu prüfen ist, und ob der Inhaber eines nicht eingetragenen Geschmacksmusters beweisen muss, dass sein Geschmacksmuster Eigenart besitzt, oder ob er lediglich angeben muss, inwiefern es Eigenart aufweist.

Die Gründe:
Die Verordnung über Gemeinschaftsgeschmacksmuster bestimmt, dass (eingetragene oder nicht eingetragene) Geschmacksmuster auf Unionsebene geschützt sind, wenn sie neu sind (Fehlen jeder früheren Offenbarung) und Eigenart haben (der Gesamteindruck, den sie bei einem informierten Benutzer hervorrufen, muss sich von dem unterscheiden, den ältere Geschmacksmuster hervorrufen). Die Eigenart eines Geschmacksmusters ist im Hinblick auf die Gewährung des Schutzes nach der Verordnung durch Vergleich mit einem oder mehreren genau bezeichneten, einzeln benannten Geschmacksmustern zu prüfen, die aus der Gesamtheit der der Öffentlichkeit zugänglich gemachten älteren Geschmacksmuster ermittelt und bestimmt wurden. Die Prüfung kann nicht durch Vergleich mit einer Kombination bestimmter isolierter Elemente von mehreren älteren Geschmacksmustern vorgenommen werden.

Die Verordnung stellt im Rahmen einer Verletzungsklage eine Vermutung der Rechtsgültigkeit nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster auf, so dass der Inhaber eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters in diesen Verfahren nicht dessen Eigenart beweisen muss. Der Inhaber muss also lediglich angeben, inwiefern sein Geschmacksmuster Eigenart aufweist, d.h. er muss das oder die Elemente des betreffenden Geschmacksmusters benennen, die diesem seiner Ansicht nach Eigenart verleihen. Der Beklagte kann jedoch jederzeit die Rechtsgültigkeit des in Rede stehenden Geschmacksmusters in Frage stellen.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 88 vom 19.6.2014
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