06.11.2015

Zur Reichweite der Verjährungshemmung im Zusammenhang mit Güteanträgen in Kapitalanlageberatungsfällen

Der BGH hat sich mit der Reichweite der Verjährungshemmung und den Anforderungen an die Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs in Bezug auf Güteanträge in Kapitalanlageberatungsfällen befasst. Bei Güteanträgen kann auf Schriftstücke, die der Individualisierung des verfolgten Anspruchs dienen, nur dann zurückgegriffen werden, wenn sie im Güteantrag erwähnt und dem Antrag beigefügt worden sind.

BGH 15.10.2015, III ZR 170/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch. Auf Empfehlung des für die Beklagte tätigen Handelsvertreters F. E. zeichnete der Kläger am 15.12.1993 eine Beteiligung als mittelbarer Kommanditist an der F. Baubetreuung Immobilien-Anlagen Nr. 28 KG, einem geschlossenen Immobilienfonds, mit einer Einlage i.H.v. 90.000 DM zzgl. 5 Prozent Agio. Diese Kapitalanlage finanzierte der Kläger teilweise mit einem Bankdarlehen über 36.000 DM.

Mit Anwaltsschreiben vom 23.9.2011 verlangte der Kläger von der Beklagten Schadensersatz wegen Falschberatung. Dies wies die Beklagte mit Antwortschreiben vom 7.10.2011 zurück. Mit Eingang vom 28.12.2011 reichte der Kläger über seine vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten bei einer staatlich anerkannten Gütestelle einen Güteantrag ein, der (auszugsweise) folgende Begründung enthielt:

  • Antragsgegnerin war als Anlagevermittler und -berater tätig
  • fehlende Aufklärung über Risiken und Nachteile einer Beteiligung an diesem Immobilienfonds
  • fehlerhaftes Emissionsprospekt
  • mangelnde Aufklärung über Provisionen der Antragsgegnerin und deren Höhe
  • Antragstellerpartei strebt gütliche Einigung mit der Antragsgegnerin an.

Die Gütestelle unterrichtete die Beklagte hiervon. Nachdem diese mitgeteilt hatte, dass sie dem Güteverfahren nicht beitrete, stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 14.8.2012 dem Kläger gegenüber das Scheitern des Verfahrens fest.

Mit Eingang vom 24.1.2013, der Beklagten zugestellt am 15.2.2013, reichte der Kläger beim LG Klage ein. Er macht u.a. geltend, es sei ein Anlageberatungsvertrag mit der Beklagten zustande gekommen, und er sei von dem Handelsvertreter der Beklagten nicht anleger- und objektgerecht beraten worden. Er habe eine sichere und risikolose Kapitalanlage zur Altersvorsorge gewünscht und sei u.a. über den unternehmerischen Charakter der Beteiligung, das (Total-)Verlustrisiko, die stark eingeschränkte Fungibilität und die Nachhaftung gem. § 172 Abs. 4 HGB nicht aufgeklärt worden. Die Beklagte erwiderte, es habe nur eine Anlagevermittlung stattgefunden. Sie ist den Beratungsfehlervorwürfen des Klägers im Einzelnen entgegen getreten und hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor den BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Güteantrag des Klägers die Hemmung der Verjährung nur für die eigens darin erwähnten Pflichtverletzungsvorwürfe bewirken konnte. Denn die Verjährung der Ansprüche wird für jeden einer Anlageentscheidung zugrunde liegenden Beratungsfehler gehemmt, wenn in unverjährter Zeit wegen eines oder mehrerer Beratungsfehler Klage erhoben oder ein Mahn- oder Güteverfahren eingeleitet wird. Die Entscheidung des OLG stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Die Klageforderung ist wegen Ablaufs der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB insgesamt verjährt (§ 214 Abs. 1 BGB), weil der Güteantrag des Klägers, wie der Senat für weitestgehend gleichlautende Güteanträge inzwischen mehrfach entschieden hat (u.a. BGH 18.6.2015, III ZR 198/14), nicht den Anforderungen an die nötige Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB entspricht.

Der Güteantrag hat in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen. Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten. Auch bedarf es für die Individualisierung nicht der Angabe von Einzelheiten, wie sie für die Substantiierung des anspruchsbegründenden Vorbringens erforderlich sind. Diesen Erfordernissen genügt der Güteantrag des Klägers nicht. Er weist keinen Bezug zum konkreten Beratungshergang in dem der Gütestelle vorgelegten Einzelfall auf. Er enthält als individuelle Angaben lediglich den Namen und die Anschrift des Klägers sowie die Bezeichnung des Anlagefonds und nennt weder die Zeichnungssumme noch andere die getätigte Anlage individualisierende Tatsachen.

Ob im Mahnantrag stets eine (hinreichend deutliche) Bezugnahme auf anspruchsindividualisierende Schriftstücke erfolgen muss, damit diese berücksichtigt werden können, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Bei Güteanträgen jedenfalls kann auf Schriftstücke, die der Individualisierung des verfolgten Anspruchs dienen, nur dann zurückgegriffen werden, wenn diese im Güteantrag genannt und diesem Antrag beigefügt worden sind. Unterlagen, die der Gütestelle nicht vorgelegt werden, finden in das Güteverfahren keinen Eingang und können daher auch bei der Beurteilung, ob der geltend gemachte (prozessuale) Anspruch im Güteantrag hinreichend individualisiert worden ist, keine Berücksichtigung finden.

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