02.08.2013

Zur unzulässigen Werbung für Kapseln mit getrocknetem Pilzpulver als Nahrungsergänzungsmittel

Eine gesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 liegt auch dann vor, wenn die Angabe mangels Bestimmtheit nicht zulassungsfähig i.S.d. Art. 13 Abs. 1 der Verordnung ist und daher eine unspezifische Angabe i.S.d. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung darstellt. Solange die Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung noch nicht erstellt sind, kann Art. 10 Abs. 3 der Verordnung nicht vollzogen werden.

BGH 17.1.2013, I ZR 5/12
Der Sachverhalt:
Die Beklagte vertreibt Kapseln mit getrocknetem Pilzpulver als Nahrungsergänzungsmittel, für die sie auf ihrer Internetseite u.a. mit Aussagen warb, die im nachstehend auszugsweise wiedergegebenen Unterlassungsantrag wiedergegeben sind. Nach Ansicht des Klägers, des Verbands Sozialer Wettbewerb, handelt es sich bei diesen Aussagen um gesundheitsbezogene Angaben i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. Die Aussagen seien unzulässig, weil die Beklagte ihre Richtigkeit entgegen Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung nicht anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise bewiesen habe.

Die Aussagen zu den Mitteln "Reishi Vitalpilz" (Nr. 2) und "Coriolus Vitalpilz" (Nr. 7) seien zudem jedenfalls deshalb unzulässig, weil es sich bei diesen Mitteln um neuartige Lebensmittel i.S.d. Verordnung (EG) Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittel-Zutaten handele, die ohne entsprechende Zulassung nicht verkehrsfähig seien.

Der Kläger beantragte u.a., es der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu werben

  • 2. für das Mittel "Reishi Vitalpilz"
    "zur Unterstützung eines gesunden Herz-Kreislaufs verbessert dieser Vitalpilz die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit bei Stress",
  • 4. für das Mittel "Hericium Vitalpilz"
    "Vitalpilz zur Unterstützung einer gesunden Verdauung",
  • 5. für das Mittel "Cordyceps Vitalpilz"
    5.1. "zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit",
    5.2 "Der Raupenpilz erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit",
    5.3 "eine gesteigerte Lebensqualität und die unterstützende Fähigkeit für eine gesunde Libido sind für den Raupenpilz bekannt!",
  • 10. für das Mittel "Polyporus Vitalpilz"
    10.1. "zur Vorbeugung gegen natürlichen Haarausfall",
    10.2. "zur unterstützenden Vorbeugung gegen Wassereinlagerungen",
    10.3. "u.a. unterstützt dieser Vitalpilz die Neubildung von gesundem kräftigem Haar".

LG und OLG gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH ganz überwiegend keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die im Berufungsverfahren noch im Streit befindlichen Werbeaussagen der Beklagten stellen gesundheitsbezogene Angaben i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar. Soweit die Werbeaussagen zu Nr. 5 und 10 teilweise - zu Nr. 5.1 und 5.2 - unspezifische Angaben i.S.v. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung enthalten, sind sie nicht unzulässig. Die Revision hat daher hinsichtlich der Werbeaussagen zu Nr. 5.1 und 5.2 Erfolg.

Die Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung regelt die Zulässigkeit von Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden. Sie erfasst Aussagen, die zwar auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung genannten Funktionen Bezug nehmen, aufgrund ihrer allgemeinen und unspezifischen Formulierung aber nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnten. Das ist bei den von der Beklagten für ihr Mittel "Cordyceps Vitalpilz" gemachten Aussagen "Zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit" (Nr. 5.1) und "Der Raupenpilz erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit" (Nr. 5.2) der Fall.

Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitliche Wohlbefinden sind nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung allein dann zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Solange diese Listen noch nicht erstellt sind, kann Art. 10 Abs. 3 der Verordnung allerdings noch nicht vollzogen werden.

Im Übrigen Umfang ist die Revision der Beklagten dagegen unbegründet. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigkeit von auf spezifische Vorteile bezogenen gesundheitsbezogenen Angaben, die in der insoweit zentralen Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung genannt sind, muss deshalb vom Verwender dargelegt und im Bestreitensfall auch bewiesen werden. Soweit diese Voraussetzungen gem. den Übergangsregelungen in Art. 28 der Verordnung ganz oder immerhin teilweise zunächst noch nicht zu erfüllen sind oder waren, bleibt die beschriebene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast davon unberührt.

Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Beurteilung des OLG, die Beklagte habe die von ihr für ihre Produkte in Anspruch genommenen gesundheitsbezogenen Angaben entgegen Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung nicht bewiesen. Allerdings unterliegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Anforderungen an den von einem Verwender gem. Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung zu führenden Wirksamkeitsnachweis Bedenken. Das OLG hat gemeint, insoweit seien grundsätzlich dieselben Anforderungen zu stellen wie an den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder einer bilanzierten Diät, so dass dann, wenn sich der Nachweis der wissenschaftlichen Anerkennung nicht anders belegen lasse, regelmäßig randomisierte und placebokontrollierte Doppelblindstudien vorzulegen seien, die durch ihre Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden seien.

Die Revision rügt mit Recht, dass diese eher schematische Sichtweise den besonderen Anforderungen nicht gerecht wird, die an den vom Verwender einer gesundheitsbezogenen Angabe zu führenden Wirksamkeitsnachweis zu stellen sind. Eine nähere Klärung dieser Frage erübrigt sich im Streitfall aber deshalb, weil die Beklagte im Rahmen der sie treffenden Darlegungslast nach den nicht in zulässiger Weise angegriffenen Feststellungen des OLG schon nicht vorgetragen hat, welche konkreten Inhaltsstoffe in den jeweiligen Pilzextrakten geeignet sein sollten, die mit den einzelnen Werbeaussagen behaupteten Wirkungen zu erzielen.

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