22.05.2017

Zur verschuldensunabhängigen Haftung für kontaminierte Silage

Verfüttert ein Landwirt von ihm hergestellte, kontaminierte Silage an ein bei ihm eingestelltes Pferd, das hierdurch erkrankt, kann er dem Eigentümer des Pferdes gegenüber verschuldensunabhängig haften. Die Haftung folgt aus dem Produkthaftungsgesetz, das dem Hersteller eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für den Fehler eines von ihm hergestellten Produkts auferlegt.

OLG Hamm 2.11.2016, 21 U 14/16
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Eigentümer eines 1999 geborenen Pinto-Wallachs und Westernreitpferds. Dieses hatten sie im Pferdepensionsbetrieb eingestellt, den der Beklagte auf einem Hof unterhält. Vereinbarungsgemäß versorgte der Beklagte das Pferd und fütterte es u.a. auch mit Heu und selbst hergestellter Silage.

2011 erkrankte das Pferd zeitgleich mit anderen Pferden im Stall des Beklagten, die ebenfalls mit der vom Beklagten selbst hergestellten Silage gefüttert worden waren. Untersuchungen ergaben, dass bei den Tieren eine Botulismus-Erkrankung ausgelöst worden war, für die nur die Silage als Verursacher in Betracht kam. Die Kläger ließen ihr Pferd tierärztlich behandeln, wofür Kosten i.H.v. rd. 15.700 € anfielen. Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Übernahme dieser Kosten.

Das LG gab der Klage statt. Das OLG wies den Beklagten per Beschluss auf die Erfolglosigkeit seiner Berufung hin. Daraufhin nahm der Beklagte diese zurück.

Die Gründe:
Der Beklagte haftet auch ohne eigenes Verschulden für die durch die Botulismus-Erkrankung des Pferdes entstandenen Tierarztkosten. Seine Haftung folgt aus dem Produkthaftungsgesetz, das ihm eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für den Fehler eines von ihm hergestellten Produkts auferlegt.

Die vom Beklagten hergestellte Silage ist ein Produkt im Sinne dieses Gesetzes, das durch die Kontamination mit den Botulismus-Erregern einen bestimmungswidrigen Fehler aufgewiesen hat. Der Beklagte ist der Hersteller dieses Produkts, weil er das in seinem landwirtschaftlichen Betrieb verarbeitete Gras produziert, gemäht und gesammelt hat. Nach dem Produkthaftungsgesetz haftet auch ein Grundstoffproduzent. Nach dem Wegfall des Haftungsprivilegs für Naturprodukte sind auch die von Landwirten erzeugten Grundstoffe für Nahrungsmittel in die Produkthaftung einbezogen. Darüber hinaus hat der Beklagte das von ihm selbst produzierte und geerntete Gras zwecks Herstellung der Silage weiterverarbeitet. Auch das macht ihn zum Hersteller.

Zu Gunsten des Beklagten greift auch keiner der im Produkthaftungsgesetz geregelten Ausnahmetatbestände ein. Der Beklagte hat die von ihm produzierte Silage geschäftlich in den Verkehr gebracht, indem er sie vereinbarungsgemäß an das Pferd der Kläger verfüttert hat. Die Gefahr einer Kontamination der Silage, die zur Entstehung von Botulintoxin führen kann, war zum damaligen Zeitpunkt allgemein bekannt und dem Beklagten auch bewusst. Die Kontamination stellt einen Fabrikationsfehler dar, von dem sich der Hersteller nicht entlasten kann. Unerheblich ist auch, ob er die Kontamination mit vertretbarem Aufwand feststellen konnte, weil der Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz auch für sog. "Ausreißer" haftet.

OLG Hamm PM vom 22.5.2017
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