21.09.2015

Zur Verwirkung der Ausübung des Widerrufsrechts

Eine Verwirkung der Ausübung des Widerrufsrechts setzt regelmäßig eine illoyal verspätete Inanspruchnahme eines Schuldners voraus. Die bloße Hoffnung der Bank, auf ihr eigenes Schweigen hin werde auch der Schuldner die Anlageentscheidung im Laufe der Zeit vielleicht auf sich beruhen lassen, ist nicht schutzwürdig.

OLG Frankfurt a.M. 26.8.2015, 17 U 202/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte die beklagte Bank auf Rückabwicklung der von ihm am 18.12.2003 gezeichneten Beteiligung an der A-GmbH & Co.KG in Anspruch genommen, indem er zuletzt die Zahlung von rund 3.300 € Zug um Zug gegen die Übertragung aller Rechte des Klägers aus der Kommanditbeteiligung sowie die Feststellung, dass der Beklagten gegen den Kläger aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Darlehensvertrag keine Ansprüche zustehen, geltend machte. In der Widerrufsbelehrung hieß es u.a., dass die abgegebenen Willenserklärungen zur Aufnahme der Fremdfinanzierung (Vertrag über die Begebung und Übernahme einer Inhaberschuldverschreibung) innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen werden könne. Die Frist beginne frühestens mit Erhalt der Belehrung.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.12.2013 erklärte der Kläger, der seit seinem Beitritt Ausschüttungen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz i.H.v. insgesamt 11.119 € erhalten hatte, den Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung. Er berief sich auf eine nicht ordnungsgemäße Belehrung. Die Beklagte entgegnete, dass die Widerrufsbelehrung der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung des Musters der der Anlage 2 zur BGB-InfoV entsprochen habe. Gerade im Hinblick darauf, dass der Widerruf 9,5 Jahre nach Vertragsschluss erklärt worden sei und die Finanzierung bei der Beklagten bereits Ende 2009 vollständig zurückgeführt worden sei, komme im Hinblick auf den Übereilungsschutz als Sinn und Zweck der Widerrufsbelehrung ein Widerruf nicht mehr in Betracht.

Das LG gab der Klage i.H. eines von der Beklagten an den Kläger zu zahlenden Betrages von 3.300 € sowie die Feststellung, dass der Beklagten gegen den Kläger aus dem Darlehensvertrag vom 30.12.2003 keine Ansprüche zustehe, Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte des Klägers aus der Kommanditbeteiligung statt. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG weitestgehend erfolglos. Das Gericht reduzierte den zu zahlenden Betrag lediglich.

Die Gründe:
Dem Kläger stand aufgrund des von ihm erklärten Widerrufs seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen in Höhe von 2.731 € sowie auf Rückabwicklung des Darlehensvertrages Zug um Zug gegen Rückgabe der Beteiligung an dem geschlossenen Fonds aus, § 346 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. §§ 495 Abs. 1, 355, 357, 358 BGB a.F. zu.

Der von dem Kläger geltend gemachte Rückgewähranspruch gem. § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 495 Abs. 1, 355, 357, 358 BGB in der bis zum 10.6.2010 gültigen Fassung war grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung gerechtfertigt. Im Ansatz zutreffend hatte das LG zunächst erkannt, dass dem Kläger, der als Verbraucher am Abschluss eines Darlehensvertrages beteiligt war, ein Widerrufsrecht nach §§ 495, 491 BGB a.F. noch anlässlich seiner Widerrufserklärung am 20.12.2013 zustand, da die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 BGB gem. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB noch nicht abgelaufen war.

Die Widerrufsbelehrung war den Maßstäben des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. und dem darin enthaltenen Deutlichkeitsgebot nicht gerecht geworden. Denn eine Belehrung, die sich hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist auf die Aussage beschränkt, dass die Frist frühestens mit dem Erhalt der Belehrung beginnt, ist - wie durch die BGH-Rechtsprechung inzwischen geklärt - nicht in der erforderlichen Weise eindeutig und umfassend, weil die Verwendung des Wortes "frühestens" es dem Verbraucher nicht ermöglicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen (BGH-Urt. v. 15.8.2012, Az.: VIII ZR 378/11). Dieser vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" beginnen, der Beginn des Fristlaufs also noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird damit darüber im Unklaren gelassen, um welche etwaigen Umstände es sich dabei handelt.

Während eine wie im vorliegenden Fall unzureichende, weil irreführende Widerrufsbelehrung den Beginn der Widerrufsfrist nicht in Gang setzt, konnte sich die Beklagte grundsätzlich auch nicht mit Erfolg auf § 14 Abs. 1 u. 3 BGB InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB InfoV a.F. berufen. Dies war ihr bereits unter dem Gesichtspunkt verwehrt, dass sie im konkreten Fall kein Formular verwendet hatte, das den bezeichnenden Mustern in der jeweils maßgeblichen Fassung in jeder Hinsicht vollständig entsprochen hätte. Das dem Kläger zustehende Widerrufsrecht war auch nach der vollständigen Abwicklung der Darlehensfinanzierung der Beteiligung Ende 2009 nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung entfalle. Eine Verwirkung der Ausübung des Widerrufsrechts setzt regelmäßig eine illoyal verspätete Inanspruchnahme eines Schuldners voraus. Die bloße Hoffnung der Beklagten, auf ihr eigenes Schweigen hin werde auch der Kläger die Anlageentscheidung im Laufe der Zeit vielleicht auf sich beruhen lassen, war nicht als schutzwürdig zu betrachten.

Linkhinweis:

Hessenrecht Landesrechtsprechungsdatenbank
Zurück