27.01.2015

Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Hinzuziehung eines Rechtsbeistands zum BEM

Arbeitgeber sind grds. nicht verpflichtet, zu Gesprächen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) einen Rechtsbeistand des Arbeitnehmers hinzuzuziehen. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt geschwächt ist oder auf Seiten des Arbeitgebers mehrere Personen am Gespräch beteiligt sind. Es gibt insoweit keinen Anspruch auf "Waffengleichheit".

LAG Rheinland-Pfalz 18.12.2014, 5 Sa 518/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist bei dem beklagten Versicherungsunternehmen als Sachbearbeiterin beschäftigt. Ursprünglicher Arbeitsort war Saarbrücken, wo die Klägerin auch wohnt. Später vereinbarten die Parteien einvernehmlich, dass die Klägerin in Mainz weiterbeschäftigt werden sollte. Seitdem pendelte sie von Saarbrücken nach Mainz.

Nach der Geburt ihres Kindes im Jahr 2010 befand sich die Klägerin bis zum 13.4.2013 in Elternzeit. Seit dem 14.4.2013 ist sie ununterbrochen krankgeschrieben. Sie leidet unter einer Depression, die sie darauf zurückführt, dass die Beklagte sich weigert, sie künftig in Teilzeit in Saarbrücken anstatt in Mainz oder in Heimarbeit zu beschäftigen.

Die Beklagte lud die Klägerin zu einem BEM-Gespräch ein. Auf Seiten der Beklagten sollten die zuständige Personalsachbearbeiterin sowie die Vorgesetzte der Klägerin teilnehmen. Außerdem sollten mit Zustimmung der Klägerin ein Mitglied des Betriebsrats und ggf. der Schwerbehindertenvertreter beteiligt werden.

Die Klägerin war mit der Durchführung des BEM einverstanden, verlangte jedoch die Teilnahme ihres Prozessbevollmächtigten als Rechtsbeistand an dem BEM-Gespräch. Ihre hierauf gerichtete Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Rechtsbeistand der Klägerin zu einem BEM-Gespräch hinzuzuziehen. Wer an einem solchen Gespräch zwingend und potentiell zu beteiligen ist, ist in § 84 Abs. 2 SGB IX abschließend geregelt. Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands des Arbeitnehmers ist hier nicht vorgesehen. Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die auch durch eine Stützung des Hinzuziehungsanspruchs auf § 242 BGB nicht unterlaufen werden darf.

Zwar ist bei der Anhörung zu einer Verdachtskündigung anerkannt, dass der Arbeitnehmer einen Rechtsanwalt hinzuziehen kann. Das lässt sich auf das BEM aber nicht übertragen, da die Situation des Arbeitnehmers nicht annähernd vergleichbar ist. Denn das Eingliederungsmanagement zielt - anders als die Verdachtskündigung - darauf ab, dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zu erhalten.

Ob ein Arbeitgeber in "extremen Ausnahmefällen" verpflichtet sein kann, einem Arbeitnehmer zu gestatten, BEM-Gespräche in Begleitung eines Rechtsbeistands zu führen, kann dahinstehen, da ein solcher Ausnahmefall hier nicht vorliegt. Die Erkrankung der Klägerin stellt keinen Ausnahmefall dar, weil Teilnehmer eines BEM immer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und damit gesundheitlich geschwächt sind. Das BEM dient auch nicht dazu, widerstreitende Interessen auszufechten, sondern krankheitsbedingte Kündigungen zu verhindern. Daher führt auch das von der Klägerin angeführte Argument der "Waffengleichheit" nicht weiter.

Linkhinweis:
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