24.01.2013

Ausschreibung einer Trainee-Stelle für Berufsanfänger kann eine Diskriminierung älterer Bewerber indizieren

Sucht ein öffentlicher Arbeitgeber in einer an "Berufsanfänger" gerichteten Stellenanzeige für ein Traineeprogramm "Hochschulabsolventen" und lehnt er einen grds. geeigneten 36-jährigen Bewerber mit Berufserfahrung ab, so indiziert dies eine Benachteiligung dieses Bewerbers wegen seines Alters. Der Arbeitgeber kann dieses Indiz allerdings widerlegen, wenn er darlegt, dass der Bewerber wegen seiner im Vergleich zu den Mitbewerbern schlechteren Examensnote nicht in die Bewerberauswahl einbezogen worden ist.

BAG 24.1.2013, 8 AZR 429/11
+++ Der Sachverhalt:
Die beklagte Charité, Universitätsmedizin Berlin, hatte folgende Stellenanzeige aufgegeben:

"Die Charité hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen abzudecken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionells: Traineeprogramm an der Charité. Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm (...) zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt."

Der damals 36-jährige Kläger bewarb sich auf die Stelle. Er hatte nach dem ersten und zweiten juristischen Staatsexamen bei einer Rechtsschutzversicherung eine fünfköpfige Juristengruppe geleitet und war als Rechtsanwalt tätig gewesen. Die Beklagte lud ihn nicht zum Assessment-Center an und erteilte ihm eine Absage. Hierin sah der Kläger eine Benachteiligung wegen seines Alters und verlangte von der Beklagten eine Entschädigung.

Die Beklagte bestritt eine Diskriminierung und machte geltend, sie habe eine Auswahl nach den Examensnoten getroffen und nur Bewerber mit Examensnoten von "gut" oder "sehr gut" in Betracht gezogen.

Arbeitsgericht und LAG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob das BAG die Vorentscheidungen auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.

+++ Die Gründe:
Es kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG wegen Diskriminierung im Bewerbungsverfahren hat.

Der Umstand, dass die Beklagte als öffentliche Arbeitgeberin "Berufsanfänger" für ein Traineeprogramm gesucht und die Bewerbung des berufserfahrenen 36-jährigen Klägers abgelehnt hat, stellt ein Indiz für eine Benachteiligung wegen des Alters dar. Die Beklagte trägt deshalb die Beweislast dafür, dass ein solcher Verstoß nicht vorgelegen hat.

Die Beklagte könnte dieses Indiz allerdings widerlegen, wenn sie tatsächlich nur die Bewerber mit den besten Examensnoten in die Bewerberauswahl einbezogen hätte, weil sie als öffentliche Arbeitgeberin gem. Art. 33 Abs. 2 GG Stellen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber zu besetzen hatte.

Der Kläger hat eine solche Bewerberauswahl durch die Beklagte bestritten. Daher war die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückzuverweisen.

+++ Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

+++ Der Hintergrund:
Der JUVE-Verlag hat am 24.1.2013 berichtet, dass der Kläger des vorliegenden Verfahrens auch einige Großkanzleien wegen Altersdiskriminierung verklagt hat. Dabei soll er jeweils geltend gemacht haben, dass es eine Diskriminierung älterer Bewerber darstelle, wenn Anwälte mit einer Berufserfahrung von null bis zu drei Jahren gesucht würden. Das ArbG Köln hat am 23.1.2013 eine dieser Klagen abgewiesen (Az. 3 Ca 3734/12). Am gleichen Tag entschied das LAG Köln in einem ähnlichen Fall zugunsten einer der beklagten Großkanzleien (Az. 3 Sa 686/12).

Weitere Informationen hierzu finden Sie auf der JUVE-Website.

BAG PM Nr. 5/13 vom 24.1.2013
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