19.11.2014

Frage des Arbeitgebers nach einer bestimmten Gewerkschaftszugehörigkeit kann unzulässig sein

Fordert ein Arbeitgeber seine Beschäftigten auf, zu erklären, ob sie einer bestimmten Gewerkschaft angehören, so kann hierin eine unzulässige Einschränkung der Koalitionsbetätigungsfreiheit der betroffenen Gewerkschaft aus Art. 9 Abs. 3 GG liegen. Ein alle denkbaren Fallgestaltungen umfassender Unterlassungsantrag der Gewerkschaft hat allerdings aus deliktsrechtlichen Gründen keinen Erfolg.

BAG 18.11.2014, 1 AZR 257/13
Der Sachverhalt:
Klägerin des Verfahrens ist die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Sie ist Mitglied der dbb tarifunion. Die beklagte Arbeitgeberin gehört dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV Bayern) an.

Der Arbeitgeberverband hatte 2006 sowohl mit der GDL als auch mit ver.di gleichlautende Tarifverträge abgeschlossen. Nachdem beide Gewerkschaften die Tarifverträge 2010 gekündigt hatten, einigte sich der Arbeitgeberverband mit ver.di auf einen neuen Tarifvertrag. Die GDL erklärte die Tarifverhandlungen dagegen für gescheitert und kündigte die Durchführung einer Urabstimmung über Streikmaßnahmen an. Noch am selben Tag forderte die Arbeitgeberin ihre Arbeitnehmer auf, unter Angabe von Name und Personalnummer mitzuteilen, ob sie Mitglied in der GDL sind.

Die GDL sah hierin eine unzulässige Beeinträchtigung ihrer kollektiven Koalitionsfreiheit, zumal die Arbeitgeberin nur nach der Mitgliedschaft in der GDL und nicht nach der in anderen Gewerkschaften gefragt habe. Sie beantragte, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer nach einer Mitgliedschaft in der GDL zu befragen. Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt; das LAG entsprach ihm mit Einschränkungen. Das BAG wies den Antrag dagegen insgesamt ab.

Die Gründe:
Die Gewerkschaft hat gegen die Arbeitgeberin keinen Anspruch auf Unterlassung, die in dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer nach einer Mitgliedschaft in der GDL zu befragen.

Die Fragebogenaktion der Arbeitgeberin beeinträchtigt zwar die kollektive Koalitionsfreiheit der GDL. Art. 9 Abs. 3 GG schützt als koalitionsmäßige Betätigung den Abschluss von Tarifverträgen und hierauf gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen. Die geforderte Auskunft verschafft der Arbeitgeberin genaue Kenntnis vom Umfang und von der Verteilung des Mitgliederbestands der GDL in ihrem Betrieb. Sie zielt nach Art und Weise der Befragung während einer laufenden Tarifauseinandersetzung mit Streikandrohung darauf ab, den Verhandlungsdruck der GDL unter Zuhilfenahme ihrer Mitglieder zu unterlaufen.

Auch das von der Arbeitgeberin vorgebrachte Interesse, die mit ver.di erzielte Tarifeinigung umzusetzen, rechtfertigt eine solche Befragung nicht.

Der nicht auf den vorstehenden Sachverhalt beschränkte, sondern alle denkbaren Fallgestaltungen umfassende Unterlassungsantrag der GDL hat aber aus deliktsrechtlichen Gründen keinen Erfolg. Weitere Unterlassungsanträge der GDL waren aus verfahrensrechtlichen Gründen abzuweisen.

Der Hintergrund:
Der Senat hat explizit darauf hingewiesen, dass er bei dieser Sachlage nicht darüber zu befinden hatte, ob in einem sog. tarifpluralen Betrieb grds. ein Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit besteht oder nicht.

Diese Problematik wird die Arbeitsgerichte auch in Zukunft beschäftigen. Denn das geplante Tarifeinheitsgesetz sieht vor, dass in Fällen der Tarifkollision nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar sind, die zum Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses die meisten Mitglieder im Betrieb hat. Wie - im Zweifel durch das angerufene Arbeitsgericht - die Zahl der Mitglieder der jeweiligen Gewerkschaft zu ermitteln sind, ist nicht ausdrücklich geregelt.

Linkhinweise:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

Einen kritischen Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Preis zum geplanten Tarifeinheitsgesetz finden Sie hier (PDF-Datei).

BAG PM Nr. 62/14 vom 19.11.2014
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