28.09.2012

Kooperation mit späterem Betriebserwerber kurz vor der Insolvenz stellt nicht unbedingt eine Umgehung von § 613a BGB dar

Lagert ein Unternehmen per Kooperationsvertrag wenige Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Vertrieb seiner Produkte auf den späteren Betriebserwerber aus und veranlasst es später fristlose Eigenkündigungen sämtlicher Arbeitnehmer, so liegt hierin nicht unbedingt eine zu einem Betriebsinhaberwechsel führende Umgehung von § 613a BGB. Das gilt zumindest für betriebsmittelgeprägte Betriebe, in denen der bisherige Betriebsinhaber die Betriebsmittel weiterhin im Betrieb nutzt.

BAG 27.9.2012, 8 AZR 826/11
Der Sachverhalt:
Die frühere Betriebsinhaberin und spätere Insolvenzschuldnerin hatte im März 2007 mit der Beklagten einen Alleinvertriebs- und Kooperationsvertrag vereinbart. Dieser sah vor, dass die Beklagte den Vertrieb der im fraglichen Betrieb hergestellten Produkte übernahm. Nachdem die frühere Betriebsinhaberin für die Zeit von März bis Mai 2007 keine Löhne und Gehälter mehr an ihre Arbeitnehmer ausgezahlt hatte, wurde am 29.5.2007 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt.

Am 31.5.2007 wurden die 29 Arbeitnehmer des Betriebs auf einer Informationsveranstaltung der früheren Betriebsinhaberin zu fristlosen Kündigungserklärungen veranlasst. Im Juni 2007 nahm die Beklagte die Produktion im Betrieb der Insolvenzschuldnerin wieder auf, wobei sie sukzessive bis Mitte Juni 2007 18 Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin einstellte.

Die Klägerin hatte den Arbeitnehmern nach der Insolvenzeröffnung für die Monate März bis Mai 2007 Insolvenzgeld gezahlt. Mit ihrer Klage machte sie ggü. der Beklagten übergegangene Entgeltansprüche der Arbeitnehmer nach § 187 SGB III i.H.v. 75.944,45 Euro geltend. Sie trug vor, dass die Beklagte schon im März 2007 nicht nur den Vertrieb, sondern auch die Produktion in der Erwartung der Insolvenz übernommen habe. Die Eigenkündigungen seien als Umgehungsgeschäfte zu werten.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; das LAG wies sie ab. Die hiergegen gerichtete Revision hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Entgeltansprüche aus übergegangenem Recht, da vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder ein Betriebsübergang auf die Beklagte stattgefunden hat noch § 613a BGB durch eine missbräuchliche Gestaltung umgangen worden ist.

Vorliegend ging es um den Übergang eines betriebsmittelgeprägten Betriebs. In einem solchen Fall kommt dem Übergang der Nutzungsmöglichkeit der Betriebsmittel im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung wesentliches Gewicht zu. Der Betriebsmittelübernehmer muss die Betriebsmittel tatsächlich weiter oder wieder nutzen, während der bisherige Betriebsinhaber die Nutzung der Betriebsmittel im Betrieb oder Betriebsteil einstellen muss. Der bloße Abschluss eines Kooperationsvertrags zwischen bisherigem Inhaber und späterem Betriebserwerber stellt dann nicht notwendig einen Betriebsinhaberwechsel dar.

Nach diesen Grundsätzen scheiden vorliegend Zahlungsansprüche der Klägerin aus. Da keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit der von den Arbeitnehmern des Betriebs selbst ausgesprochenen Kündigungen bestanden, kam es darauf an, ob schon vor dem 31.5.2007 ein Betriebsübergang stattgefunden hatte und somit die gegenüber der bisherigen Betriebsinhaberin ausgesprochenen Eigenkündigungen ins Leere gingen. Dies war jedoch nicht der Fall: Ein Betriebsinhaberwechsel hat nicht vor Juni 2007 stattgefunden. Der mit der früheren Betriebsinhaberin abgeschlossene Kooperationsvertrag hat nicht zu einem Betriebsinhaberwechsel geführt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
BAG PM Nr. 69 vom 27.9.2012
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