27.11.2015

Praktika sind auf die Probezeit für Azubis nicht anzurechnen

Eine Berufsausbildung beginnt gem. § 20 Satz 1 BBiG zwingend mit einer Probezeit von einem Monat bis zu vier Monaten, innerhalb derer das Ausbildungsverhältnis jederzeit ohne Frist gekündigt werden kann. Auf diese Probezeit ist ein der Ausbildung unmittelbar vorausgegangenes Praktikum unabhängig von dessen Inhalt und Zielsetzung nicht anzurechnen.

BAG 19.11.2015, 6 AZR 844/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte sich im Frühjahr 2013 bei der Beklagten um eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel beworben. Die Parteien einigten sich sodann auf die Aufnahme der Ausbildung zum 1.8.2013. Diese sollte mit einer dreimonatigen Probezeit beginnen. Zur Überbrückung der Zeit bis zum Beginn des Ausbildungsjahres schlossen die Parteien einen "Praktikantenvertrag" mit einer Laufzeit bis zum 31.7.2013.

Am 29.10.2013 kündigte die Beklagte das Berufsausbildungsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, dass die Kündigung unzulässigerweise erst nach Ablauf der Probezeit erklärt worden sei. Das dem Berufsausbildungsverhältnis vorausgegangene Praktikum sei auf die Probezeit anzurechnen. Die Beklagte habe sich bereits während des Praktikums ein vollständiges Bild über ihn machen können.

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Beklagte hat das Berufsausbildungsverhältnis mit dem Kläger wirksam zum 29.10.2013 gekündigt. Die Kündigung erfolgte noch innerhalb der dreimonatigen Probezeit, die entgegen der Auffassung des Klägers erst mit Beginn der Ausbildung am 1.8.2013 zu laufen begonnen hatte.

Das dem Beginn der Ausbildung vorausgegangene Praktikum bei der Beklagten war auf die Probezeit nicht anzurechnen. § 20 Satz 1 BBiG ordnet zwingend an, dass das Berufsausbildungsverhältnis mit einer Probezeit beginnt. Ziel dieser Probezeit ist es, beiden Vertragspartnern ausreichend Gelegenheit zu geben, die für die Ausbildung im konkreten Ausbildungsberuf wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen. Dies ist nur unter den Bedingungen des Berufsausbildungsverhältnisses mit seinen spezifischen Pflichten möglich.

Insoweit spielt es auch keine Rolle, welche Inhalte das Praktikum hatte oder welche Ziele hiermit verfolgt wurden. Eine Anrechnung käme, wie das BAG bereits am 16.12.2004 (Az.: 6 AZR 127/04) entschieden hat, nicht einmal dann in Betracht, wenn es sich bei dem vorausgegangenen Rechtsverhältnis nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hätte.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 59/15 vom 19.11.2015
Zurück