19.04.2024

Zwangsvollstreckungsmaßnahme in Form der Weiterbeschäftigung

Das LAG Köln hat sich vorliegend mit einer Einzelfallentscheidung zur Zwangsvollstreckung aufgrund eines Titels auf Weiterbeschäftigung als Produktionsleiter befasst.

LAG Köln v. 11.3.2023 - 4 Ta 21/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Durchführung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme in Form der Weiterbeschäftigung des Gläubigers. Der Gläubiger war zuletzt als Produktionsleiter bei der Schuldnerin zu einer durchschnittlichen mtl. Bruttovergütung i.H.v. rd. 9.500 € beschäftigt. Die Parteien führten nach arbeitgeberseitiger Kündigung einen Kündigungsschutzrechtsstreit. Das ArbG hat durch noch nicht rechtskräftiges Urteil vom 27.9.2023 die Unwirksamkeit dieser Kündigung festgestellt ("Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Produktionsleiter weiterzubeschäftigen.").

Die Aufgaben eines Produktionsleiters umfassen entsprechend einer Stellenbeschreibung vom 19.12.2018 folgende Punkte:
  • eingehende Aufträge zu bearbeiten, Vorgaben auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen, Produktionsaufträge umzusetzen;
  • Materialdisposition und Abgleich mit Lagerbeständen;
  • Kontrolle von Vorgaben der Entwicklung und Konstruktion, Erstellen von Arbeitsanweisungen mit Fotodokumentation in Zusammenarbeit mit Entwicklung und Qualitätssicherung;
  • Kontrollieren, Abgleichen und Freigeben von Produkt- und Produktionsunterlagen wie z.B. Zeichnungen, Stücklisten, Produktionsaufträgen;
  • Herstellen von Mustern und Prototypen mit entsprechender Dokumentation und Materialdisposition, Kontinuierliche Optimierung von Produktionsprozessen.

Die Parteien einigten sich in der Folgezeit auf einen Arbeitsbeginn des Gläubigers zum 23.10.2023. Microsoft Office sowie ein Internetzugang wurden dem Gläubiger erst ab dem 9.11.2023 zur Verfügung gestellt, zuvor wurde ihm eine ODT-Software zur Verfügung gestellt. Zunächst hatte der Gläubiger nur Zugang zu Werk 2. Am 23.11.2023 wurde dem Gläubiger ein Drucker zur Verfügung gestellt. Am 9.2.2024 wurde der Gläubiger darüber informiert, dass er nun auch Zugang zu Werk 1 habe. Einen dienstlichen E-Mail-Account richtete die Schuldnerin dem Gläubiger nicht wieder ein.

Der Gläubiger ist der Auffassung, dass der ihm zugewiesene Einsatz nicht die von ihm begehrte Weiterbeschäftigung als Produktionsleiter sei. Die letzte ihm zugewiesene Aufgabe vom 23.10.2023 habe er - so behauptet er - am 3.11.2023 erledigt; ab dem 6.11.2023 sei er in keiner Weise mehr beschäftigt worden; gleichzeitig habe er die Produktion nicht betreten dürfen. Ihm fehle weiterhin der Zugang zur Produktion, Informationen, ein externer Telefonanschluss, ein Zugriff zum Server und Software. Er habe seine Arbeit auch nicht selbständig eingestellt; vielmehr warte er derzeit auf eine Rückmeldung zu seinen Ausarbeitungen. Er habe mehrfach um eine Besprechung gebeten, jedoch keine Antwort erhalten. Er sei zur Erfüllung seines Weiterbeschäftigungsanspruches so einzusetzen, dass er grundsätzlich in der Lage sei und bleibe, das gesamte Spektrum der Arbeitsaufgaben bei Bedarf und Zuweisung adäquat erledigen zu können. Der Gläubiger beantragte, gegen die Schuldnerin wegen der Nichtvornahme der vertragsgemäßen Beschäftigung des Klägers als Produktionsleiter ein Zwangsgeld festzusetzen, ersatzweise Zwangshaft, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Schuldnerin.

Das ArbG wies den Antrag zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers gab das LAG dem Antrag statt. Die Rechtsbeschwerde zum BAG wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die allgemeinen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) liegen vor. Bei der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung handelt es sich nach einhelliger Auffassung um die Verurteilung zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung gem. § 888 ZPO.

Die Schuldnerin kommt der titulierten Verpflichtung zur Beschäftigung des Gläubigers als Produktionsleiter nicht in einer Weise nach, die als Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) angesehen werden könnte. Grundsätzlich kann sich der Schuldner auch im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens auf die Erfüllung der titulierten Verpflichtung berufen. Zwar handelt es sich dabei um einen Einwand, der unmittelbar den materiell-rechtlichen Bestand des titulierten Anspruchs betrifft, und nicht um einen Einwand gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung. § 888 ZPO spricht in seinem Wortlaut jedoch davon, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung anzuhalten ist. Das kann nur bedeuten, dass die Handlung noch nicht vorgenommen ist. Mit ihrer Vornahme entfällt die Notwendigkeit der Zwangsvollstreckung. Das gilt bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die sofortige Beschwerde und ist aus prozessökonomischen Überlegungen geboten.

Die Schuldnerin beschäftigt den Gläubiger derzeit nicht als Produktionsleiter. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Schuldnerin dem Gläubiger einen ordnungsgemäß ausgestatteten Arbeitsplatz für diese Tätigkeit zur Verfügung stellt. Die Schuldnerin trägt insoweit lediglich vor, dass dem Gläubiger "ein vollfunktionsfähiger Arbeitsplatz mit PC, Telefon, Internetzugang etc." zur Verfügung gestellt werde. Auf die Einwände des Gläubigers, dass ihm - unstreitig - kein E-Mail-Account eingerichtet worden sei und er keinen Zugriff auf den Server der Beklagten erhalte, ist die Schuldnerin nicht eingegangen. Es ist davon auszugehen, dass zumindest ein eigener E-Mail-Account sowie der Serverzugang bislang zur Arbeitsmittelausstattung des Gläubigers als Produktionsleiter gehörten und bei lebensnaher Betrachtung zur Erfüllung der Tätigkeiten eines Produktionsleiters auch erforderlich sind. Somit waren sie auch wiedereinzurichten.

Darüber hinaus weist die Schuldnerin dem Gläubiger seit dem 6.11.2023 keine Tätigkeiten zu. Die Schuldnerin hat dem Gläubiger unter dem 23.10.2023 eine Aufgabe zugewiesen ("Planung für eine Automatisierung im Fertigungsprozess"), welche der Gläubiger nach eigenem Bekunden bereits am 3.11.2023 erledigt hat. Soweit die Schuldnerin hiergegen einwendet, dass in der Folgezeit in regelmäßigen Abständen immer wieder Abstimmungen zu den zugewiesenen Aufgaben zwischen dem Gläubiger und dem Geschäftsführer der Schuldnerin stattgefunden hätten, was der Gläubiger selbst u.a. durch seine Schreiben vom 28.11.2023 und 8.12.2023 dokumentiert habe, vermag sie damit nicht durchzudringen. Die benannten Schreiben dokumentieren gerade keine Abstimmung zwischen dem Gläubiger und dem Geschäftsführer der Schuldnerin, sondern vielmehr nur die Aufforderung des Gläubigers an die Schuldnerin, ihm eine Rückmeldung zu seiner erledigten Aufgabe zu geben. Dass die Schuldnerin auf diese Aufforderungen in irgendeiner Weise eingegangen wäre, trägt sie bezeichnenderweise schon nicht vor. Weitere Aufgaben hat die Schuldnerin dem Gläubiger nicht zugeteilt.

Eine - generell unzulässige - Verlagerung von Unklarheiten über den Inhalt der Weiterbeschäftigungsverpflichtung aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren liegt nicht vor. Es geht vorliegend um das "Ob" der Beschäftigung, nicht um das "Wie". Nach alldem war ein verhältnismäßiges Zwangsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts des Gläubigers, nämlich 9.500 €, festzusetzen.

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