22.03.2024

Führt ein Zwangsumtausch von ausländischen-Anleihen zu steuerbaren Kapitaleinkünften?

Jedoch bezieht das - im Zeitpunkt des o. a. BFH-Urteils VIII R 54/12 noch nicht geltende - Gesetz in § 52 Abs. 28 Satz 16 Teilsatz 3 EStG nunmehr, für Veräußerungen nach dem 31.12.2008, Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 EStG auch dann ein, wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint - was, entsprechend der Gründe des obigen BFH-Urteils, bei den streitgegenständlichen Par-Schuldverschreibungen der Fall ist. Da die steuerlichen Fragen zu einem nach dem 31.12.2008 erfolgten Zwangsumtausch von vor dem 1.1.2009 erworbenen / umgetauschten Anleihen, soweit ersichtlich, höchstrichterlich nicht entschieden sind, wurde die Revision zugelassen.

FG Düsseldorf v. 14.2.2024 - 15 K 1557/22 E
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte in den Jahren 1997 bis 2000 mehrfach ausländische Anleihen erworben. Wegen Zahlungsschwierigkeiten erfolgten keine termingerechten Rückzahlungen, sondern es fand ein Zwangsumtausch in neue Anleihen zu schlechteren Konditionen statt. Der Kläger erhielt in diesem Zuge, im Jahr 2005, neue Par-Schuldverschreibungen mit ISIN N01. Im Streitjahr, zum 15.9.2020, erfolgte ein erneuter Umtausch, auf den der Kläger keine Einflussmöglichkeiten hatte. Dabei wurden die Papiere zwangsweise in Anleihen mit der ISIN N02 umgetauscht. Der Kurswert der Par-Papiere zum Ausführungstag 15.9.2020 betrug lt. Mitteilung der ausführenden Bank 14.692 €; sie berechnete daraus einen "Veräußerungsgewinn nach der Differenzmethode" von 4.844 €, für den sie Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag von insgesamt 1.277 € als Steuerabzug abführte.

Der Kläger bat das Finanzamt um Bestätigung, dass der Zwangsumtausch keine steuerliche Wirkung habe, da ihm bisher keine Einkünfte zugeflossen seien und eine spätere Rückzahlung der Gelder völlig ungewiss sei. Die Behörde erklärte zunächst, dass der Zwangsumtausch keinen steuerpflichtigen Vorgang darstelle, zumal Erträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 17 EStG erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu erfassen seien. Entgegen dem Antrag des Klägers auf Erstattung der abgeführten Steuern von 1.277 € setzte das Finanzamt die Steuer unter Berücksichtigung der laut der Bank angefallenen Kapitalerträge fest

Laut Steuerbescheinigung der Bank sei die Veräußerung bzw. der Zufluss tatsächlich im Jahr 2020 erfolgt. Für Veräußerungen ab 2009 sei die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG zu beachten. Demnach seien Veräußerungsgewinne nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG steuerpflichtig. Steuerpflichtig sei die Differenz zwischen Veräußerungspreis und Anschaffungskosten - letztere in Gestalt des Börsenwertes der eingetauschten Papiere. Der Steuereinbehalt der Bank habe abgeltende Wirkung.

Das FG hielt die hiergegen gerichtete Klage für überwiegend unbegründet. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die ursprüngliche Auskunft der Finanzbehörde, eine Besteuerung im Streitjahr könne unterbleiben, entfaltete hier keine Bindungswirkung; die Kläger konnten sich nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben hierauf berufen. Weder stellte die Erklärung eine verbindliche Zusage dar noch war sonst ein Bindungswille des Beklagten - für die ohnehin erst später anstehende Veranlagung - zum Ausdruck gekommen.

In zeitlicher Hinsicht bestimmt § 52 Abs. 28 Satz 15 EStG, dass § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 EStG n.F. erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden ist. In diesem zeitlichen Anwendungsbereich ist der streitgegenständliche Ertrag realisiert worden. Nach § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG ist für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 1.1.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Absatz 1 Nummer 7 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung, aber nicht Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung sind, § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 nicht anzuwenden; für die bei der Veräußerung in Rechnung gestellten Stückzinsen ist Satz 15 anzuwenden; Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung liegen auch vor, wenn die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist oder wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint.

Die hier zu beurteilenden ...-Anleihen sind zwar nicht Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe c i.V.m. Abs. 2 Satz 2 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung, sodass bei isolierter Betrachtung nach § 52 Abs. 28 Satz 16 Teilsatz 1 EStG eine Steuerbarkeit zu verneinen wäre. Dies entspricht den Gründen des BFH-Urteils vom 24.2.2015 - VIII R 54/12. Dort hat der BFH auf der Grundlage der damaligen Gesetzeslage ausgeführt, dass die Zuordnung zu dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG beschriebenen Typus von Finanzinnovationen ausgehend von den Verhältnissen bei der Emission zu erfolgen habe.

§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG i.d.F. des StÄndG 2001 sei (mit sachlicher Berechtigung) darauf gerichtet, den wirtschaftlichen Lebenssachverhalt der Anlage in sog. Finanzinnovationen zu erfassen, bei denen es typischerweise um eine Verbindung der wirtschaftlichen Nutzung durch Überlassung an Dritte mit der Abschöpfung von Kursdifferenzen und zugleich um die Besteuerung etwaiger Kursgewinne gehe. Jedoch lägen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht vor. Diese Vorschrift sei dahin teleologisch zu reduzieren und in verfassungskonformer Weise einschränkend auszulegen, dass eine Besteuerung der Marktrendite ausscheide, wenn das Entgelt für die Kapitalüberlassung und der Vermögenszuwachs rechnerisch eindeutig abgrenzbar und bestimmbar seien. Das sei bei den Par-Schuldverschreibungen der Fall. Denn es sei eine feste, gestaffelte Zinszahlung vorgesehen und die BIP-gebundenen Wertpapiere seien bereits vor der Veräußerung abgetrennt worden, sodass deren Kursentwicklung keine Auswirkung mehr auf die veräußerten Par-Schuldverschreibungen gehabt habe.

Jedoch bezieht das - im Zeitpunkt des o. a. BFH-Urteils VIII R 54/12 noch nicht geltende - Gesetz in § 52 Abs. 28 Satz 16 Teilsatz 3 EStG nunmehr, für Veräußerungen nach dem 31.12.2008, Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 EStG auch dann ein, wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint - was, entsprechend der Gründe des obigen BFH-Urteils, bei den streitgegenständlichen Par-Schuldverschreibungen der Fall ist. Diese Erweiterung der Veräußerungsgewinnbesteuerung ist entsprechend seinem Wortlaut anzuwenden; der Gesetzgeber wollte auf diese Weise Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden und den mit der Abgeltungssteuer ab dem 1.1.2009 angestrebten Vereinfachungseffekt nicht konterkarieren.

Eine vom Wortlaut abweichende, verfassungskonforme Auslegung kommt nach dem BFH-Urteil vom 13.12.2022 - VIII R 23/20 nicht in Betracht. Der BFH hat ausgeführt, dass der Gesetzgeber in § 52 Abs. 28 Satz 16 Teilsatz 3 EStG gerade für den Fall eine Rückausnahme normiert habe, in dem Anleihen noch vor dem 1.1.2009 erworben worden seien, bei denen eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheine. Insbesondere liege kein Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Folgerichtigkeit vor. Denn aus dem alten Recht könne eine Fortgeltung der früheren Besteuerungsregelungen nicht abgeleitet werden; eine sachwidrige Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte liege nicht vor.

Der Senat schließt sich diesen nach seiner Ansicht überzeugenden und zugleich erschöpfend dargelegten Grundsätzen an. Aus den dortigen Ausführungen folgt zugleich, dass entgegen der Auffassung der Kläger hier nicht die Vorschriften anzuwenden sind, die im Zeitpunkt des Erwerbs der Kapitalanlage galten. Da die steuerlichen Fragen zu einem nach dem 31.12.2008 erfolgten Zwangsumtausch von vor dem 1.1.2009 erworbenen / umgetauschten Anleihen, soweit ersichtlich, höchstrichterlich nicht entschieden sind, wurde die Revision zugelassen.

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