22.07.2016

Keine generelle Umsatzsteuerbefreiung für Fahrschulen

Leistungen von Fahrschulen sind auch unter Berücksichtigung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL nicht generell steuerbefreit. Die von einer Fahrschule angebotenen sonstigen Leistungen - die theoretische Schulung, die praktische Schulung mit Fahrunterricht und die Anmeldungen zu den Prüfungen - bilden umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche sonstige Leistung.

Niedersächsisches FG 1.4.2016, 11 K 10284/15
Der Sachverhalt:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Leistungen der Klägerin im Rahmen ihres Unternehmens als Fahrschule gegenüber den Fahrschülern nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuer-System im Streitjahr 2010 von der Umsatzsteuer befreit ist.

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag von März 2009 als Unternehmensgesellschaft (haftungsbeschränkt) mit der Firma T errichtet. Seit Februar 2011 firmiert sie unter der heutigen Firma. Seit Oktober 2014 ist sie als GmbH tätig. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb einer Fahrschule. Sie versteuerte ihre Umsätze im Streitjahr nach vereinbarten Entgelten. In ihrer im Februar 2012 beim Finanzamt eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 2010 erklärte sie Umsätze zum allgemeinen Steuersatz i.H.v. 64.000 €, Umsätze zum ermäßigten Steuersatz von 100 € und abzugsfähige Vorsteuerbeträge i.H.v. 4.500 €. Das Finanzamt legte die selbst berechnet Umsatzsteuer der Besteuerung zugrunde.

Im Dezember 2014 beantragte die Klägerin u.a. für das Streitjahr eine Änderung ihrer Umsatzsteuererklärung nach § 164 Abs. 2 AO mit einer festzusetzenden Umsatzsteuer von 0 €. Nach dem Urteil des EuGH vom 28.1.2014 (C-473/08) unterfielen Unterrichtseinheiten, bei denen Kenntnisse und Fähigkeiten durch einen Unterrichtenden an Schüler vermittelt würden, der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRl. Die Klägerin als Betreiberin einer Fahrschule unterfalle dieser Regelung. Das Finanzamt lehnte den Antrag unter Hinweis auf § 4 Nr. 21 UStG und Abschn. 4.21.2 Abs. 6 des Anwendungserlasses ab.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Änderung der Steuerfestsetzung zur Umsatzsteuer 2010, weil sie weder nach § 4 Nr. 21 Buchst. a bb) oder Buchst. b UStG noch nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfreie Leistungen erbringt.

Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erfasst den von Privatlehrern erteilten Schul- oder Hochschulunterricht. Den Begriff des Schul- oder Hochschulunterrichts hat der EuGH bislang nicht exakt definiert. Er hat aber eine Konturierung insoweit vorgenommen, als er ausgeführt hat, dass sich dieser nicht auf Unterricht beschränkt, der zu einer Abschluss-Prüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern auch andere Tätigkeiten einschließt, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Zum Unterricht gehören nicht nur die Tätigkeiten, die zur Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Studierende, sondern auch diejenigen, die den organisatorischen Rahmen der Einrichtung ausmachen, in der der Unterricht erteilt wird.

Auch der BFH geht bei der Auslegung des Begriffs im Grundsatz davon aus, dass eine enge Interpretation geboten ist. Bei der Anwendung der vom BFH aufgestellten Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass die von der Klägerin angebotenen sonstigen Leistungen, die theoretische Schulung, die praktische Schulung mit Fahrunterricht und die Anmeldungen zu den Prüfungen umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche sonstige Leistung bilden, mit dem Ziel, die Schüler zu einem sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Verkehrsteilnehmer auszubilden und ihn auf die Fahrerlaubnisprüfung vorzubereiten. Praktischer und theoretischer Unterricht sind inhaltlich aufeinander zu beziehen und zu verzahnen. Wirtschaftlich macht die eine Leistung ohne die andere für einen Durchschnittsverbraucher in der Situation eines Fahrschülers keinen Sinn. Die Anmeldungen zur theoretischen und praktischen Prüfung treten hinter den beiden Hauptteilleistungen wirtschaftlich zurück.

Die einheitliche Leistung der Klägerin - nämlich die Vorbereitung auf die Fahrerlaubnisprüfung und die Schulung zu einem verantwortungsvollen Verkehrsteilnehmer, stellt keinen Schul- oder Hochschulunterricht dar. Dabei muss der Senat der Fragestellung, ob die durch Fahrschulen überwiegend vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten zum Gebrauch eines Kfz unter den Bedingungen des Straßenverkehrs, also die Einübung von Verhaltensweisen, wie technische Geschicklichkeit und mechanische Reaktionsfähigkeit überhaupt Gegenstand der Allgemeinbildung der Fahrschüler werden kann.

Linkhinweis:

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