15.04.2024

Rückwirkende Anwendung des § 6e EStG zu Fondsetablierungskosten nicht verfassungswidrig

Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 6e EStG, der Fondsetablierungskosten als Anschaffungskosten qualifiziert, gilt, dass die Anwendung auf abgeschlossene Veranlagungszeiträume eine verfassungsrechtlich zulässige Rückwirkung darstellt.

FG Münster v. 24.1.2024 - 12 K 357/18 F
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt einen geschlossenen Schiffsfonds in Form einer GmbH & Co. KG. Nach ihrer Gründung im Jahr 2007 schloss sie zunächst einen Chartervertrag sowie einen Bauvertrag über einen noch herzustellenden Massengutfrachter ab. Für die Investition wurde ein Emissionsprospekt herausgegeben, auf dessen Grundlage sich die Anleger an der Klägerin beteiligten. Die angefallenen Weichkosten (z.B. für Finanzierung und Beratung bei der Konzeption) behandelte die Klägerin zunächst als Anschaffungskosten.

Nachdem sich abgezeichnet hatte, dass eine zeitgerechte Fertigstellung des Schiffes nicht erfolgen würde, beschlossen der Verwaltungsbeirat und die Geschäftsführung der Klägerin, den Anlegern als Alternativkonzept eine Beteiligung an einer anderen GmbH & Co. KG anzubieten, die ein baugleiches Schiff erwerben sollte. In einer im Streitjahr 2010 abgehaltenen Gesellschafterversammlung wurden die Kündigung des Bauvertrags und die Beteiligung an der neuen Gesellschaft beschlossen.

Die Klägerin behandelte die bisher für das ursprünglich geplante Schiff aktivierten Anschaffungskosten aufgrund der Kündigung des Bauvertrags nunmehr als sofort abziehbare Betriebsausgaben. Das Finanzamt ging demgegenüber weiterhin von Anschaffungskosten aus und berief sich auf die damals gültige sog. "Vertragsgeflecht-Rechtsprechung" des BFH. Zu der während des Klageverfahrens eingeführten Regelung des § 6e EStG vertrat die Klägerin die Auffassung, dass der sachliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht eröffnet sei und die rückwirkende Anordnung verfassungsrechtlich unzulässig sei.

Das FG wies die Klage ab. Die beim BFH anhängige Revision der Klägerin wird dort unter dem Az. IV R 6/24 geführt.

Die Gründe:
Die streitigen Kosten sind nicht als sofort abziehbare Betriebsausgaben, sondern als Anschaffungskosten in der Ergänzungsbilanz bei der Untergesellschaft zu behandeln, denn es handelt sich um Fondsetablierungskosten i.S.v. § 6e EStG.

Dies gilt unabhängig davon, dass diese bereits von der Klägerin selbst für das ursprüngliche Investitionskonzept verausgabt worden waren. Die Beurteilung als "Aufwendungen der Anleger" i.S.d. § 6e EStG hat auch auf der Ebene des Fonds und auf der Grundlage eines gedachten einheitlichen Erwerbsvorgangs zu erfolgen, bei dem die Anleger das Investitionsobjekt aufgrund eines Gesamtkaufpreises erwerben. Damit sind auch Kosten des Fonds aus der Zeit vor dem Beitritt der Anleger erfasst, die Teil der Erwerbsgestaltung sind. Auch nach Änderung des Investitionsobjekts bestand weiterhin ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Kosten mit der Abwicklung des Projekts. Aus Sicht der Anleger ist es unerheblich, ob die Klägerin selbst ein Schiff unterhält oder sich an einer Gesellschaft beteiligt, die ein baugleiches Schiff betreibt.

Die Anleger haben ihre Beteiligungen auch auf Grundlage eines vorformulierten Vertragswerks angeschafft. Bei der ursprünglichen Investitionsvariante lag den Anlegern bei Beteiligungserwerb das Emissionsprospekt mit der wesentlichen Konzeption vor. Auch bei der letztlich umgesetzten Modifikation hatten sie faktisch keine Möglichkeiten der Einflussnahme. Die Anleger konnten ausschließlich zwischen einer Auflösung der Klägerin und einer Beteiligung an der neuen KG wählen.

Die gesetzlich angeordnete rückwirkende Anwendung des im Jahr 2019 eingeführten § 6e EStG auf bereits abgeschlossene Veranlagungszeiträume ist im Streitfall verfassungsrechtlich ausnahmsweise zulässig. Jedenfalls für Zeiträume bis zur Änderung der bisherigen Rechtsprechung durch das Urteil des BFH vom 26.4.2018 (IV R 33/15) konnte aufgrund der gefestigten Rechtsprechung und der einhelligen Verwaltungspraxis zur Behandlung von Weichkosten bei modellartigen Gestaltungen kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen. Danach waren die vorliegend streitigen Kosten als Anschaffungskosten zu behandeln. Die Klägerin durfte daher nicht darauf vertrauen, diese im Streitjahr 2010 sofort als Betriebsausgaben abziehen zu können.

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FG Münster NL vom 15.4.2024
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