25.04.2024

Zu den Voraussetzungen einer Änderung gemäß § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG

Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23.02.2017 - V R 16, 24/16, BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760). Demgegenüber kommt es hierfür auf die Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG nicht an.

Kurzbesprechung
BFH v. 31.1.2024 - V R 24/21

UStG § 27 Abs 19 S 1, § 27 Abs 19 S 3
FGO § 126 Abs 2, § 126 Abs 4
AO § 367 Abs 2 S 2
BGB § 215


Nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, wenn Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15.02.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein.

§ 176 AO steht der Änderung nach Satz 1 nicht entgegen (§ 27 Abs. 19 Satz 2 UStG). Nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG kann das für den leistenden Unternehmer zuständige FA auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem FA den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt. Aus § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG ergibt sich, unter welchen Voraussetzungen die Abtretung an Zahlungs statt wirkt.

Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht. Im Gegensatz zum Erfordernis eines abtretbaren Nachforderungsanspruchs kommt es für die Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG nicht darauf an, dass auch die Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG vorliegen.

§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG stellt nach seinem Wortlaut nicht auf die in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG genannten Voraussetzungen ab. Der Gesetzesbegründung (BTDrucks 18/1995, S. 111) lässt sich zu einer Einschränkung der Änderungsbefugnis nach Maßgabe des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG nichts entnehmen.

Im Streitfall war es daher für die Rechtmäßigkeit des Umsatzsteueränderungsbescheides vom 15.12.2014 unerheblich, dass der Steuerpflichtige zuvor kein Abtretungsangebot abgegeben hatte, welches das FA hätte annehmen können oder das Gegenstand einer "Zulassung" im Sinne von § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG hätte sein können. Ebenso war es unerheblich, dass der Steuerpflichtige erstmalig am 30.12.2020 dem FA ein Abtretungsangebot unterbreitete, welches das FA dann abgelehnt hatte.

Über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Abtretungsangebots, z.B. aufgrund einer vom FA angenommenen Verletzung von Mitwirkungs- oder Rechnungserteilungspflichten, ist nicht im Festsetzungsverfahren, sondern in einem gesonderten, auf die Ablehnung des Abtretungsangebots bezogenen Verfahren zu entscheiden. Daher ist es für die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides nicht von Bedeutung, wie weit die auf die Abtretung bezogenen Mitwirkungspflichten des leistenden Bauunternehmers reichen und welche Bedeutung dabei § 215 BGB zukommt, wonach die Aufrechnung auch mit verjährten Ansprüchen nicht ausgeschlossen ist, wenn diese Ansprüche in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, in dem sie der Hauptforderung erstmals aufrechenbar gegenübergestanden haben.

Im Streitfall war auch nicht anderweitig ersichtlich, weshalb das FA im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben am Erlass des Änderungsbescheides gehindert gewesen sein könnte. Dementsprechend kommt es nicht auf die Frage einer möglichen Verjährung eines vom Steuerpflichtigen an das FA abzutretenden Anspruchs gegenüber einer KG an, die im Übrigen frühestens zum Jahresende 2016 eintreten konnte.

Im Hinblick auf den Umfang der im Festsetzungsverfahren vorzunehmenden Prüfung ist es unerheblich, ob nach der Rechtsauffassung des Steuerpflichtigen sein Anspruch gegen die KG im Zeitpunkt seines Abtretungsangebots an das FA im Dezember 2020 noch nicht verjährt war, oder ob eine Einrede der Verjährung seiner Meinung nach ausgeschlossen war, weil sich die KG gegebenenfalls schuldrechtlich dazu verpflichtet hatte, im Hinblick auf den zivilrechtlichen Rechtsstreit Abtretungen gegenüber dem FA anzuerkennen.

Im Streitfall hatte das FG die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Änderung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG zutreffend bejaht. Der Steuerpflichtige hatte seine Leistungen an die KG im Streitjahr 2009 und damit vor dem 15.02.2014 erbracht. Beide sind bei Vertragsabschluss davon ausgegangen, dass die KG als Leistungsempfängerin die Steuer nach § 13b UStG schuldete. Diese Annahme hat sich aufgrund des BFH-Urteils vom 22.08.2013 - V R 37/10 (BStBl II 2014, 128) als unrichtig herausgestellt.

Nach den Feststellungen des FG hatte die KG die Leistungen des Steuerpflichtigen ihrerseits nicht zur Erbringung einer Bauleistung verwandt. Die KG hatte schließlich die Erstattung der Steuer gefordert, die sie vorher in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldnerin zu sein.

Das FG hatte zutreffend entschieden, dass dem Steuerpflichtigen ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der festgesetzten Umsatzsteuer gegen die Leistungsempfängerin zustand. Im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides am 15.12.2014 war auch noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn die Umsatzsteuererklärung 2009 wurde am 27.10.2010 abgegeben, so dass die Festsetzungsverjährung frühestens mit Ablauf des 31.12.2014 eintreten konnte.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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