16.07.2014

Verwerfung der Revision in Strafsachen ist auch ohne mündliche Verhandlung möglich

Die in der StPO eröffnete Möglichkeit, eine offensichtlich unbegründete Revision ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zu verwerfen, ist mit dem GG vereinbar. Es ist von Verfassungs wegen auch nicht geboten, dass eine solche Entscheidung mit einer Begründung versehen wird.

BVerfG 30.6.2014, 2 BvR 792/11
Der Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer wandte sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Verwerfung einer strafprozessualen Revision durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 stopp. Er rügte, dass die Entscheidung ohne Durchführung einer Revisionshauptverhandlung ergangen sei und keine Begründung aufweise. Hierdurch sah er sein Recht auf öffentliche Verhandlung, sein Recht, sich selbst zu verteidigen, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, seinen Anspruch auf prozessuale Waffengleichheit und die Pflicht zur Begründung gerichtlicher Entscheidungen verletzt.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Gründe:
Die in der StPO eröffnete Möglichkeit, eine offensichtlich unbegründete Revision ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zu verwerfen, ist mit dem GG vereinbar. Es ist von Verfassungs wegen auch nicht geboten, dass eine solche Entscheidung mit einer Begründung versehen wird.

Art. 103 Abs. 1 GG begründet keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung; es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll. Der Beschwerdeführer hatte in seiner Revisionsbegründung und in der Gegenerklärung zum Antrag des Generalbundesanwalts Gelegenheit, sich umfassend zu äußern. Er hat daraufhin nicht substantiiert vorgetragen, dass er sein Revisionsvorbringen in schriftlicher Form nicht ausreichend habe deutlich machen können.

Die Durchführung einer Revisionshauptverhandlung ist auch nicht zur Herstellung prozessualer "Waffengleichheit" erforderlich. Es trifft zwar zu, dass Revisionen der Staatsanwaltschaft im Gegensatz zu Revisionen des Angeklagten im Allgemeinen nicht durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen werden. Der Beschwerdeführer zeigte jedoch nicht auf, inwieweit diese Praxis bei Revisionen von Angeklagten generell oder im konkreten Einzelfall zu einer verminderten Rechtsschutzqualität führt.

Die Verwerfung der Revision des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO widersprach auch nicht dem Recht auf ein faires Verfahren gem. Art. 6 EMRK. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann im Rechtsmittelverfahren unter bestimmten Voraussetzungen vom Grundsatz der öffentlichen mündlichen Verhandlung abgewichen werden. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der nationalen Verfahrensordnung und der Rolle des Rechtsmittelgerichts darin vorzunehmen.

Zudem war es mit Art. 6 EMRK vereinbar, dass der BGH seine Entscheidung über die Revision des Beschwerdeführers nicht mit einer Begründung versehen hatte. Art. 6 EMRK in der Auslegung des Gerichtshofs ist zwar eine grundsätzliche Pflicht zur angemessenen Begründung gerichtlicher Entscheidungen zu entnehmen. Allerdings hängt die Begründungspflicht von der Natur der Entscheidung ab und ist im Lichte der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Bei nationalen übergeordneten Gerichten erachtet es der Gerichtshof für mit der Konvention vereinbar, wenn solche Gerichte bei der Nichtannahme offensichtlich unbegründeter Beschwerden von einer ausführlichen Begründung der Entscheidung absehen und allein auf die Norm verweisen, die ein entsprechendes Vorgehen erlaubt.

Linkhinweis:

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BVerfG PM Nr. 60 vom 15.7.2014
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