18.12.2015

Bei der Ermittlung des Natriumgehalts natürlicher Mineralwässer müssen sämtliche chemischen Verbindungen berücksichtigt werden

Der Natriumgehalt natürlicher Mineralwässer ist auf der Grundlage nicht nur des Natriumchlorids, sondern auch des Natriumbicarbonats zu berechnen. Ein natürliches Mineralwasser darf, wenn sein Natriumgehalt unabhängig von der chemischen Form des Natriums 20 mg/l beträgt oder überschreitet, nicht die Angabe enthalten, es sei kochsalz- oder natriumarm oder für eine natriumarme Ernährung geeignet.

EuGH 17.12.2015, C-157/14
Der Sachverhalt:
Neptune Distribution verkauft und vertreibt die kohlesäurehaltigen natürlichen Mineralwässer "Saint-Yorre" und "Vichy Célestins". 2009 forderte die französische Verwaltung Neptune Distribution auf, alle Angaben zu entfernen, die den Eindruck entstehen ließen, dass diese Wässer arm oder sehr arm an Salz oder Natrium seien. Dies betraf insbesondere die folgenden Angaben: "St-Yorre enthält nur 0,53 g Salz (oder Natriumchlorid) pro Liter, d.h. weniger als in einem Liter Milch enthalten ist!!!"; "Vichy Celestins enthält nur 0,39 g Salz pro Liter, d.h. zwei- bis dreimal weniger als in einem Liter Milch enthalten ist!" Neptune Distribution focht diese Entscheidung an.

Der in letzter Instanz mit der Sache befasste französische Staatsrat möchte vom EuGH wissen, ob der Natriumgehalt der in Rede stehenden Wässer allein auf der Grundlage des Natriumchlorids (Tafelsalz) oder aber auf der Grundlage der in dem Getränk enthaltenen Gesamtmenge an Natrium in allen seinen Formen (also einschließlich Natriumbicarbonat) zu berechnen ist. Der Verbraucher könnte nämlich irregeführt werden, wenn ein Wasser sich als natrium- oder kochsalzarm oder für eine natriumarme Ernährung geeignet darstelle, obwohl es reich an Natriumbicarbonat sei.

Sollte das Natriumbicarbonat bei der Berechnung des Natriumgehalts zu berücksichtigen sein, könnte - so das französische Gericht - den Vertreibern natürlicher Mineralwässer die Möglichkeit genommen werden, an sich zutreffende Informationen herauszustelle. Dies könnte die unternehmerische Freiheit sowie die Freiheit der Meinungsäußerung und der Information in der Werbung einschränken. Da nämlich derzeit keine wissenschaftlichen Daten die Feststellung erlaubten, dass Natriumbicarbonat in gleichem Maß und Verhältnis wie Tafelsalz arteriellen Bluthochdruck verursache oder verstärke, könnte Natriumbicarbonat als für die menschliche Gesundheit weniger gefährlich angesehen werden als Natriumchlorid.

Die Gründe:
Nach der Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) darf die Angabe "sehr natriumarm/kochsalzarm" für natürliche Mineralwässer und andere Wässer nicht verwendet werden. Mit Blick auf die Richtlinie über natürliche Mineralwässer (Richtlinie 2009/54/EG) können Angaben oder Hinweise, die beim Verbraucher den Eindruck entstehen lassen, dass diese Wässer natrium- oder kochsalzarm oder für eine natriumarme Ernährung geeignet sind, verwendet werden, wenn der Natriumgehalt jeweils unter 20 mg/l liegt.


Da Natrium Bestandteil verschiedener chemischer Verbindungen (u.a. Natriumchlorid und Natriumbicarbonat) ist, muss seine in den natürlichen Mineralwässern vorhandene Menge unabhängig von seiner chemischen Form unter Berücksichtigung seines Gesamtvorkommens in den betreffenden natürlichen Mineralwässern beurteilt werden. Der Verbraucher kann daher irregeführt werden, wenn die Verpackungen und Etiketten natürlicher Mineralwässer sowie die Werbung für diese die Angabe enthalten, die Wässer seien natrium- oder kochsalzarm oder für eine natriumarme Ernährung geeignet, obwohl sie tatsächlich 20 mg/l oder mehr Natrium enthalten.

Das Verbot, auf den Verpackungen und Etiketten natürlicher Mineralwässer sowie in der Werbung irreführende Angaben zum niedrigen Gehalt an Natriumchlorid oder Tafelsalz anzubringen, ist gerechtfertigt und verhältnismäßig. Denn es entspricht dem Bedürfnis, eine möglichst genaue und transparente Information des Verbrauchers zu gewährleisten. Das Verbot ist auch angemessen und erforderlich, um den Schutz der menschlichen Gesundheit in der Union sicherzustellen. Eine Gefahr für die menschliche Gesundheit durch einen übermäßigen Konsum von Natrium, in welcher chemischen Verbindung auch immer, kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, so dass das Vorsorgeprinzip den Erlass grundrechtsbeschränkender Maßnahmen rechtfertigt.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 149 vom 17.12.2015
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