15.09.2016

Betreiber kostenloser Wifi-Netze haften nicht für Urheberrechtsverstöße der Nutzer

Ein Geschäftsinhaber, der der Öffentlichkeit kostenlos ein WiFi-Netz zur Verfügung stellt, ist für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers nicht verantwortlich. Jedoch darf ihm durch eine Anordnung aufgegeben werden, sein Netz durch ein Passwort zu sichern, um diese Rechtsverletzungen zu beenden oder ihnen vorzubeugen.

EuGH 15.9.2016, C-484/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger betreibt ein Geschäft für Licht- und Tontechnik, in dem er kostenlos ein öffentlich zugängliches WiFi-Netz bereitstellt, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf seine Waren und Dienstleistungen zu lenken. Über dieses Netz wurde im Jahr 2010 ein musikalisches Werk, für das die beklagten Firma Sony die Rechte innehat, rechtswidrig zum Herunterladen angeboten.

Das mit dem Rechtsstreit zwischen Sony und dem Kläger befasste LG München I ist der Ansicht, dass der Kläger selbst die betreffenden Urheberrechtsverletzungen nicht begangen habe. Es hält jedoch seine mittelbare Haftung für diese Rechtsverletzung für denkbar, da er sein WiFi-Netz nicht gesichert habe. Da es Zweifel hat, ob die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr einer solchen mittelbaren Haftung entgegensteht, legte des dem EuGH eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Die Gründe:
Die Haftung von Vermittlern, die Dienste der reinen Durchleitung von Daten anbieten, für eine von einem Dritten begangene rechtswidrige Handlung wird durch die Richtlinie beschränkt. Diese Haftungsbeschränkung greift, wenn drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Der Anbieter von Diensten hat die Übermittlung nicht veranlasst. 2. Er hat den Adressaten der Übertragung nicht ausgewählt. 3. Er hat die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert. Sind die drei genannten Voraussetzungen erfüllt, kann keine Haftung eines Anbieters bestehen, der wie der Kläger Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt. Daher hat der Urheberrechtsinhaber gegen diesen Anbieter keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil Dritte das WiFi-Netz zur Verletzung seiner Rechte benutzt haben.

Allerdings läuft es der Richtlinie nicht zuwider, dass der Urheberrechtsinhaber bei einer innerstaatlichen Behörde oder einem innerstaatlichen Gericht eine Anordnung beantragt, mit der dem Anbieter aufgegeben wird, jeder Urheberrechtsverletzung durch seine Kunden ein Ende zu setzen oder solchen Rechtsverletzungen vorzubeugen. Eine Anordnung, mit der dem Anbieter die Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort aufgegeben wird, erscheint insoweit geeignet, ein Gleichgewicht zwischen den Rechten von Rechtsinhabern an ihrem geistigen Eigentum einerseits und dem Recht der Anbieter von Internetzugangsdiensten auf unternehmerische Freiheit und dem Recht der Internetnutzer auf Informationsfreiheit andererseits herzustellen.

Eine solche Maßnahme ist dazu angetan, Nutzer eines Kommunikationsnetzes von Urheberrechtsverletzungen abzuhalten. Um diesen Abschreckungseffekt zu gewährleisten, ist es allerdings erforderlich, dass die Nutzer, um nicht anonym handeln zu können, ihre Identität offenbaren müssen, bevor sie das erforderliche Passwort erhalten. Hingegen schließt die Richtlinie ausdrücklich Maßnahmen aus, die auf eine Überwachung der durch ein Kommunikationsnetz übermittelten Informationen abzielt. Auch eine Maßnahme, die in der vollständigen Abschaltung des Internetanschlusses bestünde, ohne dass die unternehmerische Freiheit des Anbieters weniger beschränkende Maßnahmen in Betracht gezogen würden, wäre nicht geeignet, die einander widerstreitenden Rechte in Einklang zu bringen.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 99 vom 15.9.2016
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