05.04.2011

Entfernung zwischen Sitz des Steuerberaters und Einsatzort eines freien Mitarbeiters für Aufsicht und Weisungsrecht nicht entscheidend

Ein Steuerberater verstößt nicht gegen § 34 Abs. 2 S. 2 StBerG und § 7 BOStB, wenn er selbständige Buchhalter ohne räumliche Beschränkung auf den Nahbereich seiner Kanzlei anwirbt. Die räumliche Entfernung zwischen der Beratungsstelle des verantwortlichen Steuerberaters und dem Ort, an dem der selbständige Buchhalter seine Tätigkeit als freier Mitarbeiter ausübt, ist für das Weisungsrecht, die Ausübung der Aufsichtspflicht sowie die berufliche Verantwortung des Steuerberaters nicht von entscheidender Bedeutung.

BGH 14.10.2010, I ZR 95/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine regionale Berufskammer der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten. Die Beklagte ist eine Steuerberatungsgesellschaft mit Hauptsitz und zwei Zweigniederlassungen. Sie gehört zum Verbund der "Dr. S. Gruppe". Die in dieser Gruppe verbundenen Steuerberatungsgesellschaften unterhalten bundesweit etwa 50 Niederlassungen. Im Mai 2008 veröffentlichte die Gruppe in einer Zeitschrift und auf der Internetseite eines Verlages eine Stellenanzeige, mit der sie selbständige Buchhalter als freie Mitarbeiter suchte. Im Januar 2008 hatte die Beklagte an mehrere Personen im gesamten Bundesgebiet persönliche Anschreiben versandt, in denen sie die Stelle eines Buchführungshelfers als freier Mitarbeiter anbot.

Die Klägerin beanstandet die Stellenangebote als wettbewerbswidrig; die Unlauterkeit des Handelns der Beklagten ergebe sich daraus, dass die Beschäftigung von freien Mitarbeitern gem. § 7 BOStB nur zulässig sei, wenn diese weisungsgebunden und unter der fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung des Steuerberaters tätig würden. Dies erfordere eine Tätigkeit des freien Mitarbeiters im Nahbereich des eigentlichen Berufsträgers. Da die bundesweite Werbung sich nicht allein an einen überschaubaren Kreis potenzieller freier Mitarbeiter im Nahbereich richte, sei die Beklagte nicht mehr in der Lage, solche Mitarbeiter zu überwachen.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, Buchführungshelfern, die von den bei der Beklagten beschäftigten Berufsträgern in einer Entfernung von deutlich mehr als 50 km Luftlinie arbeiten oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Individualverkehr von deutlich mehr als einer Stunde zu erreichen sind, bundesweit durch gezielt versandte Werbeschreiben eine freie Mitarbeit anzubieten.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg

Die Gründe:
Der Klägerin steht wegen der streitgegenständlichen Stellenangebote kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 34 Abs. 2 S. 2 StBerG oder § 7 BOStB zu.

Das OLG hat mit Recht angenommen, dass eine Verpflichtung der freien Mitarbeiter eines Steuerberaters, dauerhaft im Nahbereich der Beratungsstelle des Steuerberaters tätig zu sein, nicht aus § 34 Abs. 2 S. 2 StBerG hergeleitet werden kann. Die Residenzpflicht gilt nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nur für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte und nicht auch für die freien Mitarbeiter des Steuerberaters. Eine analoge Anwendung des § 34 Abs. 2 S. 2 StBerG auf freie Mitarbeiter hat das OLG ebenfalls mit zutreffenden Erwägungen - Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke - abgelehnt. Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die weitere Annahme des OLG, § 7 BOStB rechtfertige ebenfalls keine räumliche Einschränkung bei der Beschäftigung freier Mitarbeiter durch einen Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten.

Die von der Revision erhobenen Bedenken gegen die Erfüllbarkeit der sich aus § 7 BOStB ergebenden Weisungs- und Überwachungspflichten des Steuerberaters sind aber auch nicht begründet, wenn der freie Mitarbeiter nicht im Nahbereich seines Prinzipals tätig wird. Der Sinn und Zweck der Regelung in § 34 Abs. 2 S. 2 StBerG besteht darin sicherzustellen, dass der Leiter einer Beratungsstelle seine Aufgaben in angemessener Frist ausüben und auch zum Zweck eines kurzfristig notwendig werdenden Gesprächs mit einem Mandanten von einer Beratungsstelle zur anderen gelangen kann. Diese Zielsetzung der gesetzlichen Regelung ist auf das Verhältnis zwischen dem Steuerberater und seinem freien Mitarbeiter nicht ohne weiteres übertragbar. Die Ausübung der Tätigkeit des freien Mitarbeiters unter der "fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung" des Steuerberaters erfordert nicht, dass der freie Mitarbeiter seine Arbeitsleistung in einem Umkreis von etwa 50 km zur Beratungsstelle seines Geschäftsherrn erbringt.

Das OLG hat mit Recht angenommen, dass die Arbeitsergebnisse des freien Mitarbeiters mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel unabhängig von räumlichen Entfernungen ohne weiteres vom verantwortlichen Berufsträger überprüft und ggf. korrigiert werden können. Dasselbe gilt für die Ausübung des Weisungsrechts. Befindet sich der Arbeitsort des freien Mitarbeiters etwa 50 km von der Beratungsstelle des verantwortlichen Berufsträgers entfernt, so ist es diesem auch nicht möglich, seinen Mitarbeiter ständig persönlich zu überwachen und anzuweisen. In einem solchen Fall findet der laufende Kontakt vielmehr regelmäßig unter Einsatz der modernen Kommunikationsmittel statt. Der Umfang der räumlichen Entfernung zwischen der Beratungsstelle des verantwortlichen Berufsträgers und dem Beschäftigungsort des freien Mitarbeiters ist daher für das Weisungsrecht, die Ausübung der Aufsichtspflicht sowie die berufliche Verantwortung des Steuerberaters - anders als im Verhältnis des Steuerberaters zu seinen Mandanten - grundsätzlich ohne Bedeutung.

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