15.09.2014

EuG muss sich erneut mit den Tarifmaßnahmen der französischen Groupement des cartes bancaires befassen

Das EuG ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom französischen Groupement des cartes bancaires erlassenen Tarifmaßnahmen eine Beschränkung des Wettbewerbs "bezwecken". Es hat die potenziellen Wirkungen dieser Maßnahmen und nicht ihren Zweck beurteilt.

EuGH 11.9.2014, C-67/13 P
Hintergrund:
Das Unionsrecht verbietet Vereinbarungen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts "bezwecken" oder "bewirken". Solche Maßnahmen stellen eine "bezweckte" Wettbewerbsbeschränkung dar, wenn sie - wie z.B. die horizontale Preisfestsetzung durch Kartelle - als solche den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigen. Maßnahmen, die den Wettbewerb wegen ihres Zwecks beschränken, können durch das Wettbewerbsrecht der Union verboten werden, ohne dass die konkreten Auswirkungen, die diese Maßnahmen auf den Markt haben können, geprüft zu werden brauchen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger, das "Groupement des cartes bancaires", wurde 1984 in Frankreich gegründet, damit die Inhaber einer von einem Mitglied des Groupement ausgegebenen CB-Karte Zahlungen bei angeschlossenen Händlern und/oder Geld an Geldautomaten der Mitglieder des Groupement abheben können. Im Jahr 2002 erließ das Groupement drei Tarifmaßnahmen:

  • 1) den MERFA ("Mechanismus zur Regulierung der Acquiring-Funktion") genannten Beitrag, der von den Mitgliedern des Groupement zu zahlen ist, die mehr CB-Karten ausgeben, als sie neue Händler werben, die dem System beitreten,
  • 2) eine Reform des Mitgliedsbeitrags für die neuen Mitglieder, der einen Festbetrag sowie einen Zusatzmitgliedsbeitrag für die Mitglieder umfasst, deren Zahl vorrätiger CB-Karten eine bestimmte Schwelle zu einem gegebenen Zeitpunkt überstieg, und
  • 3) einen Beitrag pro ausgegebener CB-Karte, der von den "schlafenden" Mitgliedern zu zahlen ist, d.h. den vor dem Inkrafttreten der neuen Tarifmaßnahmen inaktiven oder wenig aktiven Mitgliedern des Groupement.

Die beklagte EU-Kommission entschied, dass die vom Groupement erlassenen Tarifmaßnahmen sowohl wegen ihres Zwecks als auch ihrer wettbewerbswidrigen Wirkungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union verstießen, und verlangte vom Groupement, diese Zuwiderhandlung unverzüglich einzustellen und von jeder ähnlichen Maßnahme zukünftig abzusehen. Das Groupement reichte Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung ein.

Das EuG wies die Klage ab. Die Kommission habe zutreffend zu dem Ergebnis kommen können, dass die fraglichen Tarifmaßnahmen wegen ihres wettbewerbswidrigen Zwecks den Wettbewerb beschränkten und einen rechtswidrigen Beschluss einer Unternehmensvereinigung darstellten. Die Wirkungen der Maßnahmen auf den Markt seien daher nicht zu prüfen. Auf das Rechtsmittel von Groupement hob der EuGH das Urteil auf und verwies die Sache an das EuG zurück.

Die Gründe:
Das EuG hat das Vorliegen einer "bezweckten" Wettbewerbsbeschränkung nicht ordnungsgemäß geprüft. Angesichts dieser Fehler war das Urteil des EuG aufzuheben und dorthin zurückzuverweisen um zu prüfen, ob die fraglichen Maßnahmen wegen ihrer wettbewerbswidrigen "Wirkungen" verboten werden durften.

Das EuG hat verkannt, dass das wesentliche rechtliche Kriterium bei der Ermittlung, ob eine Koordinierung zwischen Unternehmen eine solche "bezweckte" Wettbewerbsbeschränkung enthält, in der Feststellung liegt, dass eine solche Koordinierung in sich selbst eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt.

Das EuG ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Zweck der streitigen Maßnahmen darin bestand, den Wettbewerb der neuen Teilnehmer auf dem Markt für die Ausgabe von Zahlungskarten in Frankreich zu beschränken, da sie von den ihnen unterliegenden Banken verlangen, entweder eine Gebühr zu zahlen oder ihre Ausgabetätigkeiten einzuschränken. Dadurch hat das EuG zwar die Gründe dargestellt, weshalb die fraglichen Maßnahmen in Anbetracht ihrer Formeln den Wettbewerb beschränken können; es hat aber nicht begründet, inwiefern diese Wettbewerbsbeschränkung schädlich genug ist, um als "bezweckte" Wettbewerbsbeschränkung eingestuft zu werden.

Das EuG hätte aber höchstens zu dem Ergebnis kommen können, dass die betreffenden Maßnahmen zum Zweck hatten, von denjenigen Mitgliedern des Groupement eine finanzielle Beteiligung zu verlangen, die sich damit begnügten, von den von anderen Mitgliedern gemachten Anstrengungen im Bereich des Acquiring zu profitieren. Ein solcher Zweck kann jedoch nicht schon seiner Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden, zumal das EuG die Auffassung vertreten hat, dass die Bekämpfung von Trittbrettfahrern des CB-Systems ein legitimes Ziel darstelle.

In Wirklichkeit hat das EuG unter dem Deckmantel einer Prüfung der den Mitgliedern des Groupement durch die fraglichen Maßnahmen eröffneten "Optionen" (nämlich der Zahlung einer Gebühr oder der Beschränkung der Ausgabe von CB-Karten) die potenziellen Wirkungen dieser Maßnahmen und nicht ihren Zweck beurteilt. Das EuG hat dadurch selbst zu erkennen gegeben, dass die fraglichen Maßnahmen nicht "schon ihrer Natur nach" als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden können.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 123 vom 11.9.2014
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