12.04.2012

Geschlossener Immobilienfonds: Zum Streitgegenstand bei Beratungspflichtverletzungen

Nicht der Begriff des Streitgegenstandes bezeichnet den der Klage zugrunde gelegten materiell-rechtlichen Anspruch, sondern der Antrag und der von den Parteien vorgetragene Lebenssachverhalt. Infolgedessen kann es durchaus vorkommen, dass ein Anleger ein zweites Mal wegen derselben Kapitalanlage klagen kann.

OLG Celle 28.12.2011, 3 U 173/11
Sachverhalt:
Der Kläger hatte auf der Grundlage eines mit dem Mitarbeiter der beklagten Bank geführten Beratungsgesprächs im September 1994 eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds i.H.v. 100.000 DM erworben. Die Beteiligung, die aus steuerlichen Gründen u.a. durch ein Darlehen finanziert worden war, entwickelte sich nicht wie prognostiziert. Inzwischen befindet sich der Fonds sogar in Liquidation.

Nachdem die erwarteten Ausschüttungen des Fonds in den Jahren 1999 und 2000 ausgeblieben waren, machte der Kläger gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche geltend. Er begründete seine Klage aus April 2001 damit, dass die Beklagte es pflichtwidrig unterlassen habe, ihn darauf hinzuweisen, dass für den Anteilserwerb der Abschluss des von ihr angebotenen Darlehensvertrages nicht erforderlich war, dass die Kapitalanlage angesichts seines Einkommens als steuerorientiertes Investment ungeeignet war und dass wegen der Fremdfinanzierung nur mit einer unterdurchschnittlichen Rentabilität zu rechnen gewesen sei.

Das LG  wies die Klage mit der Begründung ab, es fehle an einer Beratungspflichtverletzung der Beklagten (rechtskräftig).  Mit der im Oktober 2010 beim LG eingegangenen zweiten Klage begehrte der Kläger erneut Schadensersatz. Zur Begründung trug er nun vor, die Beklagte habe für den Vertrieb der Beteiligung von der Emittentin eine Rückvergütung erhalten. Hierüber sei er nicht aufgeklärt worden.

Das LG wies die Klage diesmal als unzulässig ab. Es war der Ansicht, über den Anspruch des Klägers sei bereits durch das vorherige Urteil rechtskräftig entschieden worden. Auf die Berufung des Klägers hob das OLG die Entscheidung auf und gab der Klage statt. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Gründe:
Die Klage war zulässig, denn über den vom Kläger jetzt geltend gemachten Schadensersatzanspruch, der auf das Verschweigen von Rückvergütungen gestützt wurde, war durch das vorherige Urteil des LG nicht rechtskräftig entschieden worden.

Schließlich bezeichnet nicht der Begriff des Streitgegenstandes den der Klage zugrunde gelegten materiell-rechtlichen Anspruch. Dieser ergibt sich vielmehr aus dem Antrag und dem von den Parteien vorgetragenen Lebenssachverhalt. Zu diesem waren somit alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehörten. Infolgedessen waren die Streitgegenstände der im Jahr 2001 erhobenen Klage und des jetzigen Prozesses nicht identisch.

Grundlage der im Jahr 2001 geltend gemachten Schadensersatzansprüche war die behauptete Falschberatung des Klägers über die Rentabilität der Fondsbeteiligung, insbesondere wegen der teilweisen Darlehensfinanzierung des Anlagebetrages. Für die Entscheidung dieses Rechtsstreits war die - dem jetzigen Prozess zugrunde liegende - Frage, ob die Bank dem Kläger den Erhalt von Rückvergütungen und damit ihr eigenes wirtschaftliches Interesse, dem Kläger gerade die Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zu empfehlen, verschwiegen hat, somit ohne jede Bedeutung.

Die Klage war auch in der Sache begründet. Denn zwischen den Parteien war ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Nach der inzwischen als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung war die Beklagte auf der Grundlage dieses Anlageberatungsvertrages verpflichtet, den Kläger darüber aufzuklären, dass sie für die Vermittlung der Beteiligung von der Fondsgesellschaft eine Vergütung erhielt. Eine solche Aufklärung ist notwendig, um dem Kunden den Interessenkonflikt der Bank offen zu legen. Allerdings war die Beklagte hier dieser Verpflichtung nicht nachgekommen.

Der Kläger musste sich auch nicht etwaige Kenntnisse seines Anwalts von den die Verjährung begründenden Umständen zurechnen lassen. Zwar hatte der Kläger seine jetzigen Prozessbevollmächtigten bereits Anfang 2001 mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen beauftragt. Hierbei handelte es sich jedoch - wie ausgeführt - um einen anderen Streitgegenstand. Außerdem konnte von einer beratenden Bank bereits Anfang der 90er Jahre die Kenntnis davon erwartet werden, dass diese ihre Kunden beim Erwerb von Fondsbeteiligungen über die ihr zufließenden Rückvergütungen aufklären musste.

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