08.06.2015

Himbeer-Vanille-Tee ohne Himbeeren und Vanille?

Die Etikettierung eines Lebensmittels darf den Verbraucher nicht irreführen, indem sie den Eindruck des Vorhandenseins einer Zutat erweckt, die tatsächlich in dem Erzeugnis nicht vorhanden ist. Das Verzeichnis der Zutaten kann, auch wenn es richtig und vollständig ist, ungeeignet sein, einen sich aus der Etikettierung ergebenden falschen oder missverständlichen Eindruck zu berichtigen.

EuGH 4.6.2015, C-195/14
Der Sachverhalt:
Das beklagte Unternehmen Teekanne vertreibt einen Früchtetee unter der Bezeichnung "Felix Himbeer-Vanille Abenteuer". Auf der Verpackung sind u.a. Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Angaben "Früchtetee mit natürlichen Aromen", "Früchteteemischung mit natürlichen Aromen - Himbeer-Vanille-Geschmack" und "nur natürliche Zutaten" dargestellt.

Tatsächlich enthält der Früchtetee weder natürliche Zutaten aus Vanille oder Himbeere noch Aromen, die aus Vanille oder Himbeere gewonnenen wurden. Das Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung lautet: "Hibiskus, Apfel, süße Brombeerblätter, Orangenschalen, Hagebutten, natürliches Aroma mit Vanillegeschmack, Zitronenschalen, natürliches Aroma mit Himbeergeschmack, Brombeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren, Holunderbeeren".

Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen wirft der Beklagten vor, durch Angaben auf der Verpackung den Verbraucher über die Zusammensetzung des Tees irregeführt zu haben. Aufgrund dieser Angaben erwarte der Verbraucher, dass der Tee Bestandteile von Vanille und Himbeere oder zumindest natürliche Vanille- und Himbeeraromen enthalte. Die Klägerin fordert die Beklagte daher auf, die Werbung für den Tee zu unterlassen.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Der im Revisionsverfahren letztinstanzlich mit der Sache befasste BGH möchte im Wege des Vorabentscheidungsersuchens vom EuGH wissen, ob die Etikettierung eines Lebensmittels den Verbraucher irreführen kann, wenn sie den Eindruck des Vorhandenseins einer Zutat erweckt, die tatsächlich in dem Erzeugnis nicht vorhanden ist und der Verbraucher dies nur feststellen kann, wenn er das Verzeichnis der Zutaten liest.

Die Gründe:
Der Käufer muss nach der Richtlinie 2000/13/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür über korrekte, neutrale und objektive Informationen verfügen, durch die er nicht irregeführt wird; insbesondere darf die Etikettierung eines Lebensmittels nicht irreführend sein. Selbst wenn man annimmt, dass der Verbraucher das Verzeichnis der Zutaten vor dem Kauf eines Erzeugnisses liest, ist es nicht auszuschließen, dass die Etikettierung des Erzeugnisses geeignet sein kann, den Käufer irrezuführen, wenn bestimmte Elemente der Etikettierung unwahr, falsch, mehrdeutig, widersprüchlich oder unverständlich sind.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass in einem solchen Fall das Verzeichnis der Zutaten, auch wenn es richtig und vollständig ist, ungeeignet sein kann, einen falschen oder missverständlichen Eindruck zu berichtigen, der sich für den Verbraucher aus der Etikettierung des Lebensmittels ergibt. Wird durch die Etikettierung eines Lebensmittels den Eindruck des Vorhandenseins einer Zutat erweckt, die tatsächlich nicht vorhanden ist - und ergibt sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten -, ist eine solche Etikettierung daher geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen.

Der BGH wird insoweit bei der Prüfung der verschiedenen Elemente der Etikettierung des Tees festzustellen haben, ob ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher über das Vorhandensein von Himbeer- und Vanilleblütenzutaten oder aus diesen Zutaten gewonnenen Aromen irregeführt werden kann. Dabei wird er die verwendeten Begriffe und Abbildungen sowie Platzierung, Größe, Farbe, Schriftart, Sprache, Syntax und Zeichensetzung der verschiedenen Elemente auf der Verpackung des Früchtetees zu berücksichtigen haben.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 64 vom 4.6.2015
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