13.11.2012

Internet-Reiseportal darf für kommerzielle Flugvermittlungen nicht auf Buchungswebsite einer Fluggesellschaft zugreifen

Greift ein Internet-Reiseportal zum Zwecke der kommerziellen Flugvermittlung auf die Buchungswebsite einer Fluggesellschaft zu, so kann das wettbewerbsrechtlich unzulässig sein. Denn auch die nicht autorisierte Vermittlung seiner Leistungen kann einen Anbieter in seiner wettbewerblichen Entfaltung behindern, wenn dadurch seine eigentlichen Vertriebswege nicht nur entgegen seiner erklärten Absicht, sondern gerade in wettbewerbswidriger Weise umgangen werden.

OLG Hamburg 24.10.2012, 5 U 38/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine in Dublin ansässige Fluggesellschaft, die internationale Linienflüge im sog. Low-Fare-Segment anbietet. Diese Flüge vertreibt sie ausschließlich direkt über ihre Buchungswebsite und ein eigenes Call-Center, um so zu  gewährleisten, dass die Endpreise möglichst niedrig bleiben und die Kunden nicht mit Vermittlungsgebühren Dritter belastet werden. Die Klägerin hat die gewerbliche Vermittlung sogar in ihren AGB ausdrücklich ausgeschlossen und ihre Website technisch so gestaltet, dass ohne vorherige Akzeptanz der AGB keine Buchung bzw. Buchungsvermittlung möglich ist.

Die Beklagte ist ein großer niederländischer Reiseanbieter. Sie betreibt u.a. ein Internet-Reiseportal, in dem sich der Kunde über die schnellste und günstigste Flugverbindung zum gewünschten Ziel informieren und anschließend den Flug buchen kann. Dort können auch Flüge der Klägerin gebucht werden, ohne dass der Kunde deren Website besuchen muss.

Um die für die Auswertung nötigen Flugdaten zu erhalten, greift die Beklagte auf die Website der Klägerin mit deren Flugdatenbank zu. Entscheidet sich der Kunde für einen Flug der Klägerin, übermittelt die Beklagte die Kundendaten an deren Buchungssystem und vermittelt den Vertragsschluss. Dafür zahlt der Kunde den Flugpreis zzgl. einer von der Beklagten erhobenen Vermittlungsgebühr an die Beklagte, die ihrerseits den Flugpreis an die Klägerin weiterleitet.

Die Klägerin sah darin ein wettbewerbswidriges Verhalten. Sie forderte von der Beklagten, es zu unterlassen, weiterhin kommerziell Flüge der Klägerin unter Verwendung deren Online-Flugdatenbank zu vermitteln. Der Klage hat das OLG nun überwiegend stattgegeben. Allerdings hat das Gericht die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Die Beklagte behindert die Klägerin mit ihrem Geschäftsmodell wettbewerbswidrig unter dem Gesichtspunkt des sog. Schleichbezugs.

Es ist allgemein anerkannt, dass ein Händler unlauter handelt, wenn er beim Kauf eines Produkts gegenüber dem Anbieter, der das Produkt ausschließlich selbst vermarktet und den gewerblichen Weiterverkauf verbietet, seine Wiederverkaufsabsicht verschweigt. Ein unlauterer Schleichbezug kann allerdings auch dann vorliegen, wenn es - wie hier - nicht um den Weiterverkauf eines Produkts geht, sondern lediglich ein Vertragsschluss vermittelt wird. Denn auch die nicht autorisierte Vermittlung seiner Leistungen kann einen Anbieter in seiner wettbewerblichen Entfaltung behindern, wenn dadurch seine eigentlichen Vertriebswege nicht nur entgegen seiner erklärten Absicht, sondern gerade in wettbewerbswidriger Weise umgangen werden.

Infolgedessen liegt eine Verletzung legitim absatzbezogener Interessen der Klägerin vor. Ziel der Beklagten ist es, den Kunden auf ihrer Website zu halten und ihn zu veranlassen, den gesamten kommerziellen Geschäftsablauf ausschließlich mit ihr und nicht mit der Klägerin abzuwickeln. Somit wird die Klägerin daran gehindert, dem Kunden vor seiner Buchungsentscheidung ihre Zusatzleistungen werbend anzubieten. Zudem ist das Interesse der Klägerin, Flugpreise anzubieten, die nicht noch durch Vermittlungsprovisionen Dritter gesteigert werden, grundsätzlich schutzfähig. Zumal die Beklagte es durch die intransparente Gestaltung ihrer Kosten darauf anlegt, dass der Kunde nicht erkennt, dass die Zusatzgebühr von ihr und nicht von den Fluggesellschaften erhoben wird.

Zwar stellt nicht jede Nutzung, die dem Willen des Anbieters zuwiderläuft, einen wettbewerbswidrigen Schleichbezug dar. Allerdings hat die Klägerin die gewerbliche Vermittlung nicht nur in ihren AGB ausdrücklich ausgeschlossen; sie hat außerdem ihre Website technisch so gestaltet hat, dass ohne vorherige Akzeptanz der AGB keine Buchung bzw. Buchungsvermittlung möglich ist. Infolgedessen hatte die Beklagte vor jeder Buchungsvermittlung zunächst das Vermittlungsverbot akzeptiert und es anschließend missachtet. Damit hat sie die Grenze zu einer wettbewerbsrechtlich nicht mehr akzeptablen Beeinträchtigung der Klägerin überschritten. Da über die grundlegende Frage der rechtlichen Rahmenbedingungen für Vermittlungsdienstleistungen und die Schutzfähigkeit exklusiver Vertriebsmodelle im Internet noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde, hat das Gericht die Revision zugelassen.

Hanseatisches OLG Hamburg PM v. 12.11.2012
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