10.01.2014

Keine Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags wegen auffälligen Missverhältnisses zwischen Kaufpreis und Verkehrswert bei Wertermittlung durch die finanzierende Bank

Besteht zwischen dem Kaufpreis und dem Verkehrswert des Kaufgegenstands kein besonders grobes, sondern lediglich ein auffälliges Missverhältnis, führt der Umstand, dass der Käufer den Kaufpreis voll finanziert, für sich genommen nicht zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages. Dies gilt auch dann, wenn die finanzierende Bank im eigenen und im Interesse der Sicherheit des Bankensystems nach entsprechender Ankündigung gegenüber dem Käufer den Wert des Kaufgegenstands ermittelt.

BGH 10.12.2013, XI ZR 508/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger wendet sich aus eigenem Recht gegen die dingliche und persönliche sowie zugunsten seiner Ehefrau gegen die persönliche Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde. Der Kläger erwarb im Herbst 2005 Wohnungseigentum zu einem Kaufpreis von 190.000 €, das der Verkäufer nach Angabe des Klägers eine Woche vor Erklärung der Annahme im November 2005 für 95.000 € angeschafft hatte. In einem Schreiben vom 16.11.2005 wies die Beklagte als in Aussicht genommenes Finanzierungsinstitut den Kläger und seine Ehefrau darauf hin, ein von ihr unterbreitetes "Finanzierungsangebot" stehe "unter dem Vorbehalt eines positiven Besichtigungsergebnisses, welches ein wesentlicher Bestandteil der Beleihungsprüfung" sei. Die Beklagte bewertete den "Sachwert" des Wohnungseigentums mit 187.200 €.

Der Kläger und seine Ehefrau schlossen unter dem 22.11.2005 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 190.000 €. In einer notariellen Urkunde des Notars zu UR-Nr. 8 vom 24.11.2005 bestellte der damalige Eigentümer an dem Wohnungseigentum eine Grundschuld über 190.000 € zugunsten der Beklagten, wobei er sich als gegenwärtiger und der Kläger sich als künftiger Eigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in das Pfandobjekt unterwarfen. Außerdem übernahm der Kläger die persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der vereinbarten Grundschuld und unterwarf er sich wegen dieser Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in sein gesamtes Vermögen.

Mit notariell beurkundetem "Nachtrag" vom 29.11.2005 zu UR-Nr. 3 des Notars wurde die "Übernahme der persönlichen Haftung mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung" von der Ehefrau des Klägers dahin "abgeändert", dass auch sie die "persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der vereinbarten Grundschuld" übernahm und sich wegen dieser Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in ihr gesamtes Vermögen unterwarf. Der Darlehensvertrag wurde ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr bedient. Die Beklagte betreibt wegen eines Teilbetrages die Zwangsvollstreckung.

Das LG wies die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Wert des Wohnungseigentums ab. Das OLG gab ihr statt und erklärte die Zwangsvollstreckung aus der näher bezeichneten "vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde des Notars" sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber seiner Ehefrau für unzulässig. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf, wie die Berufung des Klägers im Hinblick auf die begehrte Einstellung der Zwangsvollstreckung zugunsten seiner Ehefrau zurück und und verwies die Sache im Übrigen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat verkannt, dass die Vollstreckungsabwehrklage insoweit, als der Kläger die Einstellung der Zwangsvollstreckung zugunsten seiner Ehefrau erstrebt, mangels Prozessführungsbefugnis des Klägers unzulässig ist. Eine Vollstreckungsabwehrklage, mit der wie hier ausschließlich die Vollstreckung wegen eines Anspruchs aus § 780 BGB bekämpft wird, kann nur vom Vollstreckungsschuldner selbst erhoben werden. Eine gewillkürte Prozessstandschaft findet nicht statt. Im Hinblick auf die den Kläger selbst betreffende Vollstreckungsabwehrklage hat das OLG bei der Prüfung einer dem Kläger aus § 242 BGB zustehenden Einrede die Anforderungen an eine vorvertragliche Aufklärung durch die Beklagte überspannt.

Insbes. tragen die Feststellungen des OLG die Annahme nicht, die Beklagte habe über einen konkreten Wissensvorsprung hinsichtlich einer sittenwidrigen Übervorteilung des Klägers durch den Verkäufer verfügt. Im Ansatz richtig ist die Einschätzung des OLG, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH von einem besonders groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung, das den Schluss auf das für das Unwerturteil des § 138 Abs. 1 BGB unerlässliche subjektive Unrechtsmerkmal der verwerflichen Gesinnung des Verkäufers zulässt, erst ausgegangen werden kann, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Es hat weiter richtig gesehen, dass dann, wenn kein besonders grobes, sondern nur ein auffälliges Missverhältnis besteht, die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, wenn weitere Umstände hinzutreten, die in Verbindung mit dem auffälligen Missverhältnis den Vorwurf der sittenwidrigen Übervorteilung begründen.

Die vom OLG herangezogenen weiteren Umstände sind indessen nicht geeignet, im Verein mit einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung den Vorwurf der sittenwidrigen Überteuerung zu begründen. Dass der Kläger den Kaufpreis voll finanziert, macht den Kaufvertrag nicht sittenwidrig. Das gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Beklagte die Finanzierung von einer Wertermittlung des Wohnungseigentums abhängig gemacht hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats prüfen Kreditinstitute den Wert der ihnen gestellten Sicherheiten im eigenen Interesse sowie im Interesse der Sicherheit des Bankensystems, nicht im Interesse des Kunden. Daran ändert die Kundgabe des Vorhabens, eine Wertermittlung durchführen zu wollen, nichts. Entsprechend kann die Durchführung einer Wertermittlung die Bewertung des finanzierten Geschäfts als sittenwidrig nicht beeinflussen.

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