26.03.2024

Nahestehende Personen bei juristischer Person oder rechtsfähiger Personengesellschaft als Schuldner

Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, so sind nahestehende Personen auch solche, die mittelbar zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind.

BGH v. 22.2.2024 - IX ZR 106/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag am 30.10.2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der M (Schuldnerin). Der Beklagte, ein eingetragener Verein, dessen Mitglieder Augenoptiker sind, ist alleiniger Gesellschafter der M. GmbH. Diese wiederum ist alleinige Gesellschafterin der Schuldnerin. Der Vorstand des Beklagten ist Mitglied des Beirats der M. GmbH. Die Schuldnerin überwies von ihrem allgemeinen Geschäftskonto wiederholt Gelder, zuletzt 146.400 € am 16.7.2013. Anlass und Rechtsgrund dieser Zahlungen sind zwischen den Parteien streitig. Mit der Klage begehrt der Kläger im Wege der Insolvenzanfechtung Zahlung von insgesamt 296.700 € nebst Zinsen und außergerichtlichen Anwaltskosten.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des OLG ist die Kenntnis des Beklagten von einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Zeitpunkt der Überweisung vom 16.7.2013 gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 InsO zu vermuten.

Nach der Vorschrift des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt hat, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem - hier am 22.8.2013 gestellten - Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte.

Der Beklagte ist aufgrund seiner mittelbaren Beteiligung an der Schuldnerin als nahestehende Person gem. § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO anzusehen. Folglich wird gem. § 130 Abs. 3 InsO vermutet, dass er eine etwaige Zahlungsunfähigkeit kannte. Ist der Schuldner - wie hier - eine juristische Person, so sind gem. § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO u.a. solche Personen als nahestehend anzusehen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind. Die Bestimmung erfasst auch mittelbare Beteiligungen, wie sich aus der Entstehungsgeschichte, dem Regelungszusammenhang und Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt. Maßgeblich ist das Verständnis der Insolvenzordnung.

Die Voraussetzungen einer mittelbaren Beteiligung des Beklagten an der Schuldnerin von mehr als 25 % sind vorliegend gegeben, weil der Beklagte alleiniger Gesellschafter der M. GmbH und diese wiederum alleinige Gesellschafterin der Schuldnerin ist. Ob der Gesellschafter einer GmbH als nahestehende Person anzusehen ist, hängt nach dem Gesetz aus Gründen der Rechtsklarheit nicht davon ab, in welchem Umfang Rechtsgeschäfte der Geschäftsführer nach dem konkreten Gesellschaftsvertrag der Zustimmung der Gesellschafter bedürfen.

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Kommentierung | InsO
§ 138 Nahestehende Personen
Thole in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

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