18.10.2016

Notarielle Unterwerfungserklärung allein kann Wiederholungsgefahr nicht beseitigen

Der Zugang einer vom Schuldner abgegebenen notariellen Unterlassungserklärung beseitigt nicht das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers für eine gerichtliche Verfolgung des Unterlassungsanspruchs. Lässt sich ein Gläubiger auf die Streitbeilegung mittels notarieller Unterlassungserklärung ein, so ist für den Wegfall der Wiederholungsgefahr die Zustellung des Beschlusses über die Androhung von Ordnungsmitteln gem. § 890 Abs. 2 ZPO beim Schuldner erforderlich.

BGH 21.4.2016, I ZR 100/15
Der Sachverhalt:
Die Parteien handeln im Internet mit Fahrradzubehör. Die Klägerin hatte den Beklagten im Dezember 2013 wegen einer irreführenden Produktbeschreibung abgemahnt. Dieser verpflichtete sich daraufhin mit notarieller Urkunde, das beanstandete Verhalten zu unterlassen, und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Die Klägerin erwirkte in Kenntnis der notariellen Urkunde eine auf Unterlassung des beanstandeten Verhaltens gerichtete einstweilige Verfügung.

Im Januar 2014 beantragte die Klägerin beim LG Köln zu der notariellen Urkunde die Androhung von Ordnungsmitteln. Der Beklagte rügte die örtliche Unzuständigkeit für das Androhungsverfahren. Im Verfügungsverfahren beantragte er die Fristsetzung zur Hauptsacheklage nach § 926 ZPO, die das LG Köln am 30.1.2014 anordnete. Den Antrag auf Ordnungsmittelandrohung wies das Gericht hingegen im März 2014 zurück, weil es seine Zuständigkeit verneinte. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin blieb erfolglos.

Im April 2014 beantragte die Klägerin beim AG Ingolstadt, in dessen Bezirk der die Unterlassungserklärung beurkundende Notar seinen Sitz hatte, die Androhung von Ordnungsmitteln. Das AG erließ den Androhungsbeschluss am 16.5.2014. Er wurde dem Beklagten am 21.5.2014 zugestellt. Nach Anordnung der Klageerhebung hat die Klägerin die vorliegende Klage zur Hauptsache anhängig gemacht, mit der sie zunächst Unterlassung und Freistellung von den vorgerichtlichen Abmahnkosten i.H.v. rund 413 € verlangte. Nach Zustellung des Androhungsbeschlusses des AG an den Beklagten erklärte die Klägerin den Unterlassungsantrag für erledigt. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung jedoch nicht angeschlossen.

Das LG Köln hat den Freistellungsanspruch zuerkannt und den auf Feststellung der Erledigung des Unterlassungsantrags gerichteten Klageantrag abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG Köln die Feststellung ausgesprochen, dass der ursprüngliche Unterlassungsantrag erledigt ist. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH ohne Erfolg.

Die Gründe:
Die Annahme des OLG, der Unterlassungsantrag sei im Zeitpunkt der Klageerhebung zulässig gewesen, insbesondere habe ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die Klage bestanden, hielt war im Ergebnis richtig.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes folgte ein Rechtsschutzinteresse im vorliegenden Fall jedoch noch nicht allein aus dem Umstand, dass die Klägerin mit der Klageerhebung der auf Antrag des Beklagten ergangenen Anordnung nach § 926 Abs. 1 ZPO Folge geleistet hatte. Zwar wäre die einstweilige Verfügung aus Dezember 2013 nach § 926 Abs. 2 ZPO möglicherweise aufgehoben worden, wenn die Klägerin die Klage nicht erhoben hätte. Jedoch vermag die Fristsetzung nach § 926 Abs. 1 ZPO ein fehlendes Rechtsschutzinteresse ebenso wenig wie eine fehlende materielle Voraussetzung der Klage zu ersetzen. Entscheidend ist vielmehr, ob der Klägerin angesichts der ihr zugegangenen notariellen Unterlassungserklärung im Zeitpunkt der Klageerhebung ein schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung im Hauptsacheverfahren zuzubilligen war.

Leistungsklagen, mit denen fällige Ansprüche verfolgt werden, sind grundsätzlich ohne Darlegung eines besonderen Interesses an einem Urteil zulässig. Nur wenn das Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise aus besonderen Gründen fehlt, ist eine solche Klage als unzulässig abzuweisen. Das Rechtsschutzbedürfnis ist durch den Zugang der notariellen Unterwerfung nicht beseitigt worden, weil die Klägerin vernünftige Gründe hatte, ihren Unterlassungsanspruch gleichwohl gerichtlich geltend zu machen. Schließlich hatte der Zugang der notariellen Unterlassungserklärung auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung der Hauptsacheklage beseitigt.

Der Unterlassungsantrag war im Zeitpunkt der Klageerhebung auch begründet. Die durch die begangene Rechtsverletzung begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr war durch den Zugang der notariellen Unterlassungserklärung bei der Klägerin nicht beseitigt worden. Für den Wegfall der Wiederholungsgefahr ist im Fall der notariellen Unterlassungserklärung die Zustellung eines Beschlusses über die Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO erforderlich, die im Streitfall erst nach Klageerhebung erfolgt war. Hierfür spricht der Umstand, dass andernfalls in der Zeit zwischen Zugang der Erklärung und der Zustellung des Androhungsbeschlusses Rechtsschutzlücken eintreten, die mit dem Gebot des effizienten Rechtsschutzes nicht vereinbar sind. Im Streitfall hat auch der Zugang der notariellen Unterlassungserklärung vor Klageerhebung die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt.

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