27.09.2013

Telefonwerbung für DSL-Produkte: Mitbewerber sind zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen berechtigt

Auch Mitbewerber und Verbände können Verstöße gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 und Abs. 3 UWG verfolgen. Aus den entsprechenden EU-Regelungen ergibt sich nichts anderes.

BGH 20.3.2013, I ZR 209/11
Der Sachverhalt:
Die auf dem Gebiet der Telekommunikation miteinander in Wettbewerb stehenden Parteien machten im vorliegenden Rechtsstreit im Wege der Klage und der Widerklage Ansprüche wegen behaupteter wettbewerbswidriger Werbeanrufe geltend.

Das LG gab der auf insgesamt fünf Anrufe in der Zeit von Juni bis August 2009 gestützten Widerklage, die allein Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, statt und verurteilte die Klägerin antragsgemäß, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr Verbraucher anzurufen oder anrufen zu lassen, um ihnen Telekommunikationsprodukte wie z.B. Verträge über Telefonanschlüsse, Telefontarife, Internetprodukte und/oder Internettarife unabhängig davon anzubieten, ob der Anruf der Erweiterung oder der Aufnahme einer Vertragsbeziehung zu der Klägerin dient, solange der angerufene Verbraucher zuvor nicht sein ausdrückliches Einverständnis mit einem solchen Telefonanruf erklärt hat.

Ferner verurteilte das LG die Klägerin zur Erstattung von Abmahnkosten i.H.v. 1.780 €. Das OLG beschränkte die Unterlassungsverpflichtung der Klägerin auf Telekommunikationsdienstleistungen und auf Anrufe bei Verbrauchern, die der Erweiterung einer Vertragsbeziehung mit der Klägerin dienen, und reduzierte den Zahlungsanspruch auf 890 €. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG in vollem Umfang zurück.

Die Gründe:
Die Beklagte ist als Mitbewerberin der Klägerin für den von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG anspruchsberechtigt. Im Übrigen hat das OLG die Widerklage zu Unrecht als nur teilweise begründet angesehen.

Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, aus der Regelung in Art. 13 Abs. 6 S. 1 und Art. 15, 15a der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG geänderten Fassung folge, dass Verstöße gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 und Abs. 3 UWG von Mitbewerbern und Verbänden allenfalls in Vertretung oder Prozessstandschaft für den von der unzulässigen Werbung betroffenen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer verfolgt werden könnten. Es sei keine Rede davon, dass Mitbewerber und Verbände ebenfalls gegen Verstöße vorgehen könnten. Dass insoweit keine Regelungslücke, sondern eine abschließende Regelung vorliege, folge zwingend aus der Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (Unterlassungsklagenrichtlinie). Dem kann nicht zugestimmt werden.

Die Art. 13 Abs. 6 S. 1, Art. 15 und 15a der Richtlinie 2002/58/EG enthalten insoweit keine abschließende Regelung. Dies folgt allerdings nicht bereits aus Art. 169 Abs. 4 S. 1 AEUV. Die Regelung des Art. 169 Abs. 4 S. 1 AEUV gilt mithin nicht für die Richtlinien 2002/58/EG und 2009/22/EG, die beide insbes. auf Art. 95 EG (jetzt: Art. 114 AEUV) gestützt und damit im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarkts erlassen worden sind. Die Richtlinie 2009/22/EG, auf die sich die von der Revisionserwiderung für ihren Standpunkt herangezogene Ansicht im Schrifttum maßgeblich stützt, gibt - anders als ihr Titel vermuten lässt - schon kein geschlossenes System zur Regelung von Unterlassungsklagen vor, sondern will lediglich ein grenzüberschreitendes Vorgehen von Verbraucherschutzverbänden bei innergemeinschaftlichen Verstößen ermöglichen.

Überdies hindert die Richtlinie 2009/22/EG nach ihrem Art. 7 die Mitgliedstaaten nicht daran, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die den qualifizierten Einrichtungen sowie sonstigen betroffenen Personen auf nationaler Ebene weitergehende Rechte zur Klageerhebung einräumen. Auch aus diesem Grund lässt sich aus dem Umstand, dass die Richtlinie 2002/58/EG im Anhang I der Richtlinie 2009/22/EG nicht aufgeführt ist, nicht ableiten, dass der Beklagten die nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erforderliche Klage- und Anspruchsbefugnis für den mit der Widerklage geltend gemachten Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1, § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG fehlt. Das OLG hat die Widerklage zu Unrecht als nur teilweise begründet angesehen.

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