Telekom-Konkurrenten müssen in Werbung auf fehlende "Call-by-Call"-Möglichkeit hinweisen
BGH 20.1.2011, I ZR 28/09Die Klägerin ist die Deutsche Telekom AG. Die Beklagte betreibt ein TV-Kabelnetz. Sie bot Anfang 2007 die Möglichkeit an, Telefon- und Internetdienstleistungen über ihr Netz zu beziehen, vorausgesetzt, der Nutzer verfügte über einen TV-Kabelanschluss der Beklagten. Ihr Angebot bewarb sie u.a. mit den Hinweisen "Kein Telekom-Anschluss nötig" und "Kein Telekom-Telefonanschluss mehr nötig!". Zu diesem Zeitpunkt bestand für einen Nutzer des von der Beklagten angebotenen Telefonanschlusses keine Möglichkeit, "Call-by-Call"-Telefonate zu führen oder eine "Preselection" einrichten zu lassen.
Die Klägerin hat die Werbung vor allem als irreführend beanstandet. Sie erweckte bei den Werbeadressaten den unzutreffenden Eindruck, mit dem beworbenen Angebot könnten die von der Klägerin angebotenen Telefondienstleistungen vollwertig ersetzt werden. Tatsächlich biete die Beklagte jedoch wesentliche Möglichkeiten nicht an, die der Verbraucher bei Telefonanschlüssen der Klägerin seit vielen Jahren in Anspruch nehmen könne. Außerdem sah die Klägerin in der beanstandeten Werbung eine unzulässige vergleichende Werbung und eine Verletzung ihres bekannten Firmenschlagworts "Telekom".
LG und OLG wiesen die auf Unterlassung gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil soweit auf, als das OLG hinsichtlich des Unterlassungsantrags zum Nachteil der Klägerin erkannt hatte.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wird ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher durch die beanstandete Werbung gem. § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG 2004, § 5a Abs. 1 UWG 2008 irregeführt.
Eine Irreführung durch Verschweigen von Tatsachen ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs eine besondere Bedeutung zukommt, so dass das Verschweigen geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen. Diese zu § 5 Abs. 2 UWG 2004 entwickelte Rechtsprechung ist auf den nunmehr geltenden § 5a UWG 2008 übertragbar.
Die Beklagte hatte ihr Leistungsangebot - u.a. auch wegen der Hinweise "Kein Telekom-Anschluss nötig" oder "Kein Telekom-Telefonanschluss mehr nötig!" - als vollwertigen Ersatz für einen Telefonanschluss der Klägerin beworben. Sie hätte allerdings darauf hinweisen müssen, dass bei einer Nutzung der von ihr beworbenen Telefondienstleistung keine Möglichkeit bestehe, "Call-by-Call"-Telefonate zu führen. Denn Interessenten für Telefonanschlüsse erwarten auch von einem Telefonanschluss der Beklagten die gleichen Funktionalitäten, die er von den Telefonanschlüssen der Klägerin kennt. Die Möglichkeit, die Kosten für Verbindungsdienstleistungen durch Auswahl unter den Anbietern solcher Leistungen zu beeinflussen, ist für die Entscheidung zum Vertragsschluss auch von erheblicher Bedeutung.
Allerdings erwartet der Verkehr im Allgemeinen keine Aufklärung über das Fehlen eines "Preselection"-Angebots. Im Gegensatz zum "Call-by-Call"-Verfahren, das flexibel für Einzelgespräche eingesetzt werden kann, führt die Voreinstellung eines Netzbetreibers durch "Preselection" zu einer - vorerst - dauerhaften Änderung. Entscheidet der Verbraucher sich für eine Voreinstellung durch "Preselection", so verliert er die Möglichkeit der Nutzung der Flatrate für die Festnetzgespräche. Er müsste dann nicht nur die monatlichen Kosten der Flatrate, sondern darüber hinaus ein zusätzliches Entgelt an den Drittanbieter zahlen. Für einen durchschnittlich interessierten (potentiellen) Nutzer einer Telefon-Flatrate ist die Kombination mit einer "Preselection"-Schaltung daher im Allgemeinen wirtschaftlich nicht sinnvoll.
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