16.03.2011

Ungesichertes Darlehen unter Verwandten begründet keinen ersten Anschein für Gesellschafterdarlehen

Die Forderung aus der Rechtshandlung eines Dritten stellt nicht schon deshalb ein Gesellschafterdarlehen dar, weil es sich bei dem Dritten um eine nahestehende Person i.S.d. § 138 InsO handelt. Und auch wenn eine solche nahestehende Person dem Schuldner ein ungesichertes Darlehen gewährt, begründet dies keinen ersten Anschein für eine wirtschaftliche Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen.

BGH 17.2.2011, IX ZR 131/10
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Verwalter in dem im Februar 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der M-GmbH & Co. KG. Alleiniger Kommanditist und Geschäftsführer der Komplementärin ist G., der zugleich Alleingesellschafter der Komplementärin ist. Die Klägerin zu 1) ist ebenfalls eine GmbH & Co. KG. Alleiniger Kommanditist und Geschäftsführer der Komplementärin ist der Bruder des G. Die Klägerin zu 1) ist mit 85,72 % an der A-GmbH beteiligt, deren Geschäftsführer ebenfalls der Bruder ist. Die Mutter der beiden Brüder war bis zu ihrem Tod die Klägerin zu 2).

Die Klägerin zu 2) hatte im August 2005 der M-GmbH & Co. KG ein ungesichertes Darlehen über 200.000 € gewährt. Im Juli 2008 gewährte auch die A-GmbH der Schuldnerin ein ungesichertes Darlehen i.H.v. 1 Mio. €. Die A-GmbH verkaufte die Darlehensforderung im Oktober 2008 an die Klägerin zu 1) und trat sie zugleich an diese ab. Die Klägerinnen meldeten die Darlehensforderungen als Insolvenzforderungen im Rang des § 38 InsO zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte bestritt die Forderungen. Er hielt die Klägerinnen für nachrangige Insolvenzgläubiger.

Die Klägerinnen klagten daraufhin auf Feststellung ihrer Forderungen zur Insolvenztabelle. LG und OLG gaben den Klagen statt. Die Revision des Beklagten vor dem BGH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Die Forderungen der Klägerinnen waren zur Tabelle festzustellen, weil es sich um Insolvenzforderungen nach § 38 InsO, nicht aber um nachrangige Forderungen nach dem im Streitfall schon anwendbaren § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Fassung des MoMiG vom 23.10.2008 handelte.

Zu Recht hatte das OLG festgestellt, dass nicht schon eine dem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vorlag, weil es sich bei der A-GmbH um eine dem Gesellschafter der M-GmbH & Co. KG gem. § 138 Abs. 1 Nr. 4 InsO und auch dieser selbst gem. § 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO nahe stehende Person handelte. Entsprechendes galt für die Klägerin zu 2) gem. § 138 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 InsO. Entgegen der Auffassung der Revision konnte die Vorschrift des § 138 InsO zur Abgrenzung von einfachen nach § 38 InsO zu nachrangigen Insolvenzforderungen gem. § 39 InsO nicht herangezogen werden. Als Indiz hiergegen sprach schon die systematische Stellung der Norm in dem Abschnitt über die Insolvenzanfechtung. Entscheidend gegen die Anwendung des § 138 InsO im Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO spricht jedoch, dass die Vorschrift in der Sache auf einen anderen Regelungsbereich zugeschnitten ist.

Letztlich konnte auch die von der Revision erwogene Möglichkeit, einen Informationsvorsprung bei den dem Gesellschafter oder der Gesellschaft nahe stehenden Personen zu vermuten, die entsprechende Anwendung des § 138 InsO im hier vorliegenden Zusammenhang nicht rechtfertigen. Denn gewährt eine nahestehende Person gem. § 138 InsO dem Schuldner ein ungesichertes Darlehen, begründet dies keinen ersten Anschein für eine wirtschaftliche Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen. Für die nach der neuen Gesetzeslage zu beurteilenden Fälle kann an das Merkmal der "Krise der Gesellschaft" oder das der "fehlenden Kreditwürdigkeit" zum Zeitpunkt der Gewährung des Darlehens nicht mehr angeknüpft werden. Deswegen kann es keinen Beweis des ersten Anscheins begründen, dass der zur Familie des Schuldners gehörende Darlehensgeber den Kredit ohne entsprechende Sicherheiten und ohne Informationsrechte ausgereicht hat. Gleiches gilt für den Kredit einer Gesellschaft, die sich in der Hand eines Familienangehörigen befindet.

Im Übrigen dürfte es nicht ungewöhnlich sein, Privatdarlehen innerhalb der Familie allein im Vertrauen auf die Person des zur Familie gehörenden Darlehensnehmers zu gewähren. Für die Annahme eines feststehenden Erfahrungssatzes, der geeignet ist, die Darlegungs- und Beweislast allein im Hinblick auf die fehlenden Sicherheiten zu Lasten des Darlehensgebers zu verschieben, wie es der Revision vorschwebte, war deshalb kein Raum.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für den Volltext klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück