03.09.2015

Verordnung über den Handel mit Robbenerzeugnissen gültig

Der EuGH hat die Gültigkeit der Verordnung über den Handel mit Robbenerzeugnissen bestätigt. Der Unionsgesetzgeber war berechtigt, diese Verordnung als Reaktion auf Unterschiede zwischen den nationalen Regelungen über den Handel mit solchen Erzeugnissen zu erlassen

EuGH 3.9.2015, C-398/13 P
Der Sachverhalt:
Die Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 über den Handel mit Robbenerzeugnissen (Grundverordnung) schützt die grundlegenden wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Inuit-Gemeinschaften, die die Robbenjagd als festen Bestandteil ihrer Kultur und Identität betreiben. In diesem Rahmen gestattet sie das Inverkehrbringen von Robbenerzeugnissen in der Union grundsätzlich nur dann, wenn sie aus einer Jagd stammen, die von diesen Gemeinschaften traditionsgemäß und zum Lebensunterhalt betrieben wird.

Die Inuit Tapiriit Kanatami, eine Vereinigung, die die Interessen der kanadischen Inuit vertritt, und eine Reihe weiterer Vereinigungen und Einzelpersonen, die Robbenerzeugnisse herstellen und vertreiben, mit Sitz oder Wohnsitz in verschiedenen Ländern fochten vor dem EuG die Durchführungsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 737/2010) zur Grundverordnung an. Sie machten geltend, die Grundverordnung sei rechtswidrig, so dass es keine Rechtsgrundlage für die Durchführungsverordnung gebe.

Das EuG wies die Klage ab. Das Rechtsmittel gegen das Urteil hatte vor dem EuGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Rechtmäßigkeit der Grundverordnung ist anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Erlasses zu beurteilen. Der Zeitpunkt des Verordnungsvorschlags der Kommission ist insoweit nicht maßgeblich. Die Rechtsmittelführer machen zudem zu Unrecht geltend, dass die Ausführungen in den Erwägungsgründen der Grundverordnung nicht genügten, um die Heranziehung von Art. 95 EG zu rechtfertigen, und dass das Gericht die von der Kommission während des gerichtlichen Verfahrens gemachten Angaben nicht habe berücksichtigen dürfen. Die Begründung von Rechtsakten mit allgemeiner Geltung kann sich darauf beschränken, die Gesamtlage anzugeben, die zu ihrem Erlass geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihnen erreicht werden sollen.

Daher war der Unionsgesetzgeber im vorliegenden Fall berechtigt, sich auf eine allgemeine Darstellung der Unterschiede zwischen den nationalen Regelungen über die Vermarktung von Robbenerzeugnissen und der sich daraus ergebenden Störungen des Funktionierens des Binnenmarkts zu beschränken. Insbesondere war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, Zahl und Identität der Mitgliedstaaten anzugeben, deren nationale Regelung zum Erlass dieses Rechtsakts führte. Da die Begründung der Grundverordnung für sich genommen ausreicht, kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, dass es bei seiner Prüfung die von der Kommission während des gerichtlichen Verfahrens unterbreiteten zusätzlichen Informationen zum Stand der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die zum Erlass dieser Verordnung führten, berücksichtigt hat.

Zum Zeitpunkt des Erlasses der Grundverordnung bestanden Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften über den Handel mit Robbenerzeugnissen, die geeignet waren, den freien Verkehr dieser Erzeugnisse zu behindern. Diese Unterschiede konnten das Tätigwerden des Unionsgesetzgebers auf der Grundlage von Art. 95 EG rechtfertigen. Diese Norm erlaubt es dem Gesetzgeber, im Hinblick auf eine Angleichung der nationalen Regeln der Mitgliedstaaten Rechtsakte zu erlassen, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben.

Im Übrigen bezieht sich der Schutz des durch die Charta der Grundrechte der EU gewährten Eigentumsrechts nicht auf bloße kaufmännische Interessen oder Aussichten, sondern auf vermögenswerte Rechte, aus denen sich eine gesicherte Rechtsposition ergibt, die eine selbständige Ausübung dieser Rechte durch und zugunsten ihres Inhabers ermöglicht. Die Rechtsmittelführer haben sich jedoch lediglich auf die bloße Möglichkeit berufen, Robbenerzeugnisse in der Union zu vermarkten, ohne die ihres Erachtens durch die Grundverordnung beeinträchtigten Rechte zu benennen. Und schließlich kommt Art. 19 der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker - wonach die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, bevor sie Gesetzgebungs- oder Verwaltungsmaßnahmen beschließen oder durchführen, die sich auf diese Völker auswirken können, deren Zustimmung einholen sollen - als solchem keine rechtliche Verbindlichkeit zu.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 93 vom 3.9.2015
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