05.05.2017

Vogelschlag ist außergewöhnlicher Umstand: Keine Ausgleichsleistung wegen Flugverspätung

Die Kollision eines Flugzeugs mit einem Vogel ist ein außergewöhnlicher Umstand, der das Luftfahrtunternehmen von seiner Ausgleichspflicht bei großer Verspätung des Fluges befreien kann. Allerdings kann das Luftfahrtunternehmen, wenn ein hierzu autorisierter Fachmann nach der Kollision die Betriebsbereitschaft des betreffenden Flugzeugs festgestellt hat, die Verspätung nicht damit rechtfertigen, dass eine zweite Kontrolle notwendig gewesen sei.

EuGH 4.5.2017, C-315/15
Der Sachverhalt:
Die Kläger wollten am 10.8.2013 mittels eines von der beklagten tschechischen Fluggesellschaft Travel Service durchgeführten Fluges von Burgas (Bulgarien) nach Ostrava (Tschechische Republik) reisen. Das für diesen Flug eingesetzte Flugzeug hatte vor seinem Abflug nach Ostrava bereits die Strecken von Prag nach Burgas, von Burgas nach Brno (Tschechische Republik) und von Brno nach Burgas absolviert.

Auf dem Flug von Prag nach Burgas wurde ein technisches Problem an der Schubumkehr festgestellt, dessen Behebung eine Stunde und 45 Minuten in Anspruch nahm. Anschließend kollidierte das Flugzeug laut Travel Service bei der Landung des Fluges von Burgas nach Brno mit einem Vogel, so dass der technische Zustand des Flugzeugs kontrolliert werden musste. Diese Kontrolle wurde zunächst von einer hierzu autorisierten örtlichen Gesellschaft vorgenommen. Der Eigentümer des Flugzeugs, die Gesellschaft Sunwing, bestand jedoch darauf, dass ein Techniker von Travel Service sich von einer anderen tschechischen Stadt nach Brno begab, um zu überprüfen, ob das Flugzeug tatsächlich betriebsbereit war.

Letztlich wurden bei keiner dieser beiden Kontrollen Schäden festgestellt, die die Betriebsbereitschaft des Flugzeugs hätten in Frage stellen können. Aufgrund dieser beiden unerwarteten Zwischenfälle hatte der von den Klägern gebuchte Flug bei der Ankunft in Ostrava eine Verspätung von fünf Stunden und 20 Minuten. Die Kläger begehren mit ihrer beim Bezirksgericht Prag anhängigen Klage von Travel Service Zahlung von jeweils rd. 250 €. Sie sind der Ansicht, die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über Ausgleichsleistungen für Fluggäste gewähre ihnen, so wie sie vom EuGH ausgelegt werde, einen solchen Ausgleichsanspruch, da ihr Flug bei der Ankunft mehr als drei Stunden verspätet gewesen sei.

In diesem Zusammenhang stellt das Bezirksgericht Prag dem EuGH mehrere Fragen. Insbesondere möchte es wissen, ob die Kollision eines Flugzeugs mit einem Vogel ein außergewöhnlicher Umstand ist, dessen Eintreten die Fluggesellschaft von ihrer Ausgleichspflicht im Fall einer Flugverspätung von drei Stunden oder mehr befreien kann.

Die Gründe:
Die Kollision eines Flugzeugs mit einem Vogel sowie die dadurch ggf. verursachte Beschädigung sind nicht untrennbar mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden, so dass eine solche Kollision ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar ist. Folglich ist die Kollision eines Flugzeugs mit einem Vogel ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Verordnung.

Das Luftfahrtunternehmen ist von seiner Ausgleichspflicht nur befreit, wenn es zum einen nachweisen kann, dass die Annullierung des Fluges bzw. dessen Verspätung um drei Stunden oder mehr auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückgeht, der sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, und zum anderen, dass alle Maßnahmen ergriffen wurden, um zu verhindern, dass die außergewöhnlichen Umstände, mit denen das Luftfahrtunternehmen konfrontiert war, zur Annullierung des betreffenden Fluges oder zu dessen Verspätung um drei Stunden oder mehr führten.

Hinsichtlich der Frage, ob Travel Service nach der Kollision alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Verspätung ihres Fluges zu verhindern, ist festzustellen, dass das betreffende Flugzeug am Flughafen von Brno offenbar von einem nach den einschlägigen Vorschriften hierzu autorisierten örtlichen Fachmann kontrolliert wurde. Unter diesen Umständen war eine zweite Kontrolle des Flugzeugs nicht erforderlich, um sich der Betriebsbereitschaft des Flugzeugs zu vergewissern, so dass die auf einer solchen Kontrolle beruhende Verspätung im Hinblick auf die Ausgleichspflicht gemäß der Verordnung nicht gerechtfertigt werden kann.

Das Luftfahrtunternehmen kann nicht verpflichtet sein, Maßnahmen zu ergreifen, die ihm im Hinblick auf seine Kapazitäten untragbare Opfer abverlangen würden. Auch wenn das Luftfahrtunternehmen verpflichtet sein kann, bestimmte Vorkehrungen zu treffen, um die Risiken möglicher Kollisionen mit Vögeln zu verringern oder gar zu beseitigen, ist es nicht dafür verantwortlich, dass andere Stellen (wie etwa die Flughafenbetreiber oder die zuständigen Fluglotsen) nicht ihren Verpflichtungen nachkommen, die in ihrer Zuständigkeit liegenden Vorkehrungen zu treffen.

Beruht die große Verspätung eines Flugzeugs (wie hier) nicht nur auf einem außergewöhnlichen Umstand (Kollision des Flugzeugs mit einem Vogel), der nicht durch der Situation angemessene Maßnahmen zu verhindern war und gegen dessen Folgen das Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Vorbeugungsmaßnahmen ergriffen hat, sondern auch auf einem anderen Umstand (technisches Problem am Flugzeug), für dessen Eintreten es verantwortlich ist, so ist die auf dem außergewöhnlichen Umstand beruhende Verspätung von der gesamten Verspätungszeit bei Ankunft des Fluges abzuziehen. Nur so kann beurteilt werden, ob die vom Luftfahrtunternehmen zu vertretende Verspätung drei Stunden oder mehr beträgt und deshalb Ausgleichszahlungen für sie zu leisten sind.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 44 vom 4.5.2017
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