11.08.2015

Zum Verständnis des Begriffs "neue Personenkraftwagen" in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV

Das Verständnis des Begriffs "neue Personenkraftwagen" in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV ist an objektivierbaren Umständen auszurichten, aus denen sich ergibt, dass der Händler das betreffende Fahrzeug alsbald veräußern will. Neben der in erster Linie maßgeblichen Kilometerleistung eignet sich auch die Dauer der Zulassung für einen Schluss auf die Motivlage des Händlers bei Erwerb des Fahrzeugs.

BGH 5.3.2015, I ZR 164/13
Der Sachverhalt:
Der Beklagte handelt mit Neu- und Gebrauchtfahrzeugen. Er ließ im Februar 2012 in der M. Tagespost eine Verkaufsanzeige über einen Pkw Seat Ibiza veröffentlichen. In der ersten Zeile der Anzeige waren die Modellbezeichnung des Kraftfahrzeugs, Monat und Jahr der Erstzulassung, die Motor- und die Fahrleistung angegeben. Hierzu heißt es in der beanstandeten Anzeige des Beklagten: "Ibiza ST 1.4i, 04/11, 63 kW, 200 km". Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2-Emissionen enthielt die Anzeige nicht.

Die Klägerin ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Umwelt- und Verbraucherschutzverband. Sie verfolgt nach ihrer Satzung die Förderung der aufklärenden Verbraucherberatung und des Umweltschutzes. Sie begehrt mit ihrer Klage, den Beklagten zu verurteilen es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Druckschriften für neue Personenkraftwagenmodelle des Seat Ibiza ST 1.4i, 63 kW, 200 km, zu werben, ohne in diesen Werbeschriften Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emission (i.S.d. § 2 Nr. 5 und 6 Pkw-EnVKV) zu machen.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das Berufungsurteil enthält keine Darstellung der Tatsachen, die das OLG seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat. Es leidet daher an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache führt. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

Die aus den Gründen des Berufungsurteils erkennbare Auslegung des § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV trifft nicht zu. Nach § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV sind "neue Personenkraftwagen" Kraftfahrzeuge gem. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 1999/94/EG, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden. Die Pkw-EnVKV, mit der EU-Recht in deutsches Recht umgesetzt worden ist, enthält damit eine eigenständige Definition des Begriffs "neuer Personenkraftwagen". Aus diesem Grund kann nicht auf den im nationalen Recht entwickelten Begriff des "Neuwagens" zurückgegriffen werden. Die Definition des Begriffs "neue Personenkraftwagen" in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV stimmt mit der Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 1999/94/EG überein. Beide Definitionen stellen maßgeblich auf die Motivlage des Händlers Anschaffung zum Zweck des Weiterverkaufs oder der Auslieferung im Zeitpunkt des Erwerbs des fraglichen Fahrzeugs ab.

Zur Erreichung des in Art. 1 genannten Zwecks der Richtlinie 1999/94/EG ist es geboten, das Verständnis des Begriffs "neue Personenkraftwagen" in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV an objektivierbaren Umständen auszurichten, aus denen sich ergibt, dass der Händler das betreffende Fahrzeug alsbald veräußern will. Eine kurzfristige Zwischennutzung des Personenkraftwagens im Betrieb des Händlers etwa als Vorführwagen ist damit nicht ausgeschlossen. Als objektiver Umstand eignet sich hierzu die Kilometerleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt seines Angebots zum Verkauf. Bietet ein Händler ein Fahrzeug mit einer geringen Kilometerleistung (bis 1.000 Kilometer) zum Verkauf an, ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass er dieses Fahrzeug zum Zweck des Weiterverkaufs erworben hat. Liegt die Kilometerleistung des angebotenen Fahrzeugs darüber, spricht dies dafür, dass der Händler den Pkw (auch) zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs - und zwar für die nicht ganz unerhebliche Eigennutzung - erworben hat.

Zu Unrecht hat das OLG auch dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass die Erstzulassung des Fahrzeugs ausweislich der Angaben in der Anzeige bereits zehn Monate zurücklag. Da das Verständnis des Begriffs "neue Personenkraftwagen" in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV an objektivierbaren Umständen auszurichten ist, aus denen sich ergibt, dass der Händler das betreffende Fahrzeug alsbald veräußern will, eignet sich die Dauer der Zulassung - neben der in erster Linie maßgeblichen Kilometerleistung - für einen Schluss auf die Motivlage des Händlers bei Erwerb des Fahrzeugs. Wird ein Personenkraftwagen vom Händler erst längere Zeit nach der Erstzulassung zum Verkauf angeboten, kann dies den Schluss rechtfertigen, dass der Händler das Fahrzeug (auch) für eine nicht ganz unerhebliche Eigennutzung erworben hat und die Zwischennutzung im Betrieb des Händlers nicht nur kurzfristiger Natur war

Hier lagen zwischen dem Zeitpunkt der Erstzulassung und der Schaltung der von der Klägerin beanstandeten Anzeige zehn Monate. Sollte es sich bei der Erstzulassung nicht nur um eine Tageszulassung für lediglich einen oder allenfalls einige wenige Tage gehandelt haben, sondern um eine Zulassung, die seit zehn Monaten ununterbrochen angedauert hat, würde dieser erhebliche Zeitraum gegen die Annahme einer nur kurzfristigen Zwischennutzung im Betrieb des Händlers sprechen. In diesem Fall könnte die Klage keinen Erfolg haben unabhängig davon, ob das in Rede stehende Fahrzeug zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Verkaufsanzeige eine Laufleistung von 200 km oder 2.200 km aufgewiesen hat.

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