Zur Berücksichtigung von Provisionsvorschüssen des Handelsvertreters bei der Ermittlung der nach § 5 Abs. 3 ArbGG maßgeblichen Vergütungsgrenze
BGH 28.6.2011, VIII ZB 91/10Im Dezember 2007 schlossen die Parteien einen Consultant-Vertrag sowie einen Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel. Der Beklagte hatte als Consultant die Aufgabe, die Kunden der Klägerin über die Vermittlung von Dienstleistungen und Finanz- und Vorsorgeprodukten zu beraten. Laut Vertrag war der Beklagte als selbständiger Gewerbetreiber i.S.v. §§ 84 ff. HGB tätig und in der Bestimmung des Ortes und der Zeit seiner Tätigkeit frei. Er durfte hauptberuflich nur für die Klägerin tätig sein und nur deren Dienstleistungen und Finanzprodukte vermitteln. Für seine Tätigkeit erhält er Vergütungen in Form von Provisionen und Honoraren.
Die Klägerin hatte während der ersten 24 Monate der Consultant-Tätigkeit pauschalierte Provisionsvorschüsse von mtl. 1.500 € zu zahlen, die anteilig mit den während der Dauer des Vertragsverhältnisses erwirtschafteten Provisionen verrechnet wurden. Ein ggf. zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Klägerin überzogenes Provisionskonto hatte der Beklagte zurückzuführen. Außerdem heißt es in dem Vertrag u.a.: "Sind in die Überziehung zum Ausscheidenszeitpunkt noch nicht abgetragene Provisionsvorschüsse eingeflossen, müssen diese vom Consultant nur zu 50 Prozent zurückgezahlt werden. M (die Klägerin) verzichtet damit auf die Rückzahlung von 50 Prozent eines bei Ausscheiden noch bestehenden Vorschusssaldos".
Das Vertragsverhältnis der Parteien endete wegen Kündigung des Beklagten zum 1.7.2009. In den letzten sechs Monaten seiner Tätigkeit für die Klägerin verdiente der Beklagte nach den von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen Provisionen i.H.v. 4.365 €. Er erhielt in dieser Zeit Provisionsvorschüsse von 9.000 €. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten die Rückzahlung anteiliger Ausbildungszuschüsse und die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen. Der Beklagte rügt die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges und macht geltend, dass nach § 5 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben sei.
Das LG erklärte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig. Das OLG wies die sofortige Beschwerde des Beklagten zurück. Auch die Rechtsbeschwerde des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Für die Klage ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und nicht zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich im vorliegenden Fall insbes. nicht aus § 5 Abs. 3 ArbGG.
Eine Anwendung des § 5 Abs. 3 ArbGG scheidet schon deshalb aus, weil der Beklagte - ebenso wie die Consultants der Klägerin in den den Senatsbeschlüssen vom 12.2.2008 (VIII ZB 51/06 u.a.) und 12.3.2008 (VIII ZB 12/07 u.a.) zugrunde liegenden Fallgestaltungen - in den letzten sechs Monaten durchschnittlich mehr als 1.000 € als vertragliche Vergütung von der Klägerin bezogen und damit die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG überschritten hat. Die Klägerin hat beim Ausscheiden des Beklagten gem. § 6 Nr. 8 des Consultant-Vertrages auf die Hälfte der in den letzten sechs Monaten gewährten, noch nicht abgetragenen Provisionsvorschüsse verzichtet, so dass der Beklagte bei einer Zusammenrechnung dieses Betrages mit den in dieser Zeit verdienten Provisionen i.H.v. 4.365 € die Verdienstgrenze von 6.000 € überschritten hat.
Das OLG meint jedoch, dass der aufgrund des Rückzahlungsverzichts endgültig beim Beklagten verbliebene Anteil der in den letzten sechs Monaten gezahlten, noch nicht abgetragenen Provisionsvorschüsse nicht als Verdienst des Beklagten zu berücksichtigen sei. Das trifft nicht zu. Auch zunächst darlehensweise gewährte Provisionsvorschüsse sind bei der Ermittlung der nach § 5 Abs. 3 ArbGG maßgeblichen Vergütungsgrenze zu berücksichtigen, wenn und soweit diese sich - wie hier - aufgrund eines bereits im Handelsvertretervertrag vereinbarten Erlasses der Rückzahlungsverpflichtung beim Ausscheiden des Handelsvertreters automatisch in unbedingt bezogene Vergütungen umgewandelt haben.
Danach sind die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ArbGG für eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte hier nicht erfüllt. Nach der vertraglichen Vereinbarung hat die Klägerin auf die Rückzahlung der Hälfte der Differenz zwischen den in den letzten sechs Monaten vom Beklagten verdienten Provisionen (4.365 €) und den in dieser Zeit gezahlten Vorschüssen (9.000 €), das heißt auf 2.317 €, verzichtet. Dieser Betrag verbleibt dem Beklagten neben den verdienten Provisionen endgültig. Der Beklagte hat daher in den letzten sechs Monaten seiner Tätigkeit an Vergütung insgesamt 6.682 € (4.365 € + 2.317 €) und damit im Durchschnitt monatlich mehr als 1.000 € bezogen.
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