25.03.2024

Pächter muss Kleingarten notfalls von Dritten (auch entgeltlich) bewirtschaften lassen

Sofern ein Pächter aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen daran gehindert ist, die Bewirtschaftung der Parzelle selbst durchzuführen, ist es ihm grundsätzlich zumutbar und erlaubt, sich hierbei - ggf. entgeltlich - unterstützen zu lassen, also der Hilfe Dritter zu bedienen. Die in § 9 BKleingG geregelten Kündigungsgründe sind nicht mit dem Sozialschutz der §§ 573 f. BGB vergleichbar, sondern tragen Kündigungsbedürfnissen des Verpächters Rechnung.

AG Köln v. 1.3.2024 - 211 C 137/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Pächter einer Parzelle in einer Kleingartenanlage. In § 9 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG hieß es:

"Der Verpächter kann den Kleingartenpachtvertrag kündigen, wenn der Pächter ungeachtet einer in Textform abgegebenen Abmahnung des Verpächters eine nicht kleingärtnerische Nutzung fortsetzt oder andere Verpflichtungen, die die Nutzung des Kleingartens betreffen, nicht unerheblich verletzt, insbesondere die Laube zum dauernden Wohnen benutzt, das Grundstück unbefugt einem Dritten überläßt, erhebliche Bewirtschaftungsmängel nicht innerhalb einer angemessenen Frist abstellt oder geldliche oder sonstige Gemeinschaftsleistungen für die Kleingartenanlage verweigert;"

Nach Ansicht des Klägers war der Beklagte seinen Verpflichtungen, die die Nutzung des Kleingartens betreffen, nicht ausreichend nachgekommen. Am 27.3 2023 erhielt der Beklagte infolgedessen bereits ein drittes Schreiben, in dem u.a. stand: "Sollten die Auflagen bis zum genannten Termin nicht erledigt sein, informieren wir den S. als Verpächter. Wir weisen darauf hin, dass dieser bei anhaltenden und/oder beharrlichen Verstößen gegen Pachtvertrag und Gartenordnung berechtigt ist, den Garten zu kündigen."

Da der Beklagte weiterhin nicht seinen Verpflichtungen nachgekommen war, kündigte der Kläger mit Schreiben vom 22.6.2023 den Pachtvertrag mit dem Beklagten. Der Beklagte weigerte sich, die Parzelle zu räumen. Er war der Ansicht, es hätte einer konkreten Androhung einer Kündigung bedurft. Außerdem habe er seinen kleingärtnerischen Verpflichtungen wegen der Erkrankung seiner Ehefrau zwischenzeitlich nicht nachkommen können.

Das AG gab der Räumungsklage im vollen Umfang statt.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Räumung und Herausgabe gem. § 546 Abs. 1 BGB i.V.m. § 581 Abs. 2 BGB.

Die Kündigung vom 22.6.2023 war formell wirksam. Sie erfolgte gem. § 7 BKleingG schriftlich und unter Wahrung der Frist des § 9 Abs. 2 Nr. 1 BKleingG bereits vor dem dritten Werktag im August 2023 zum 30.11.2023. Der Kündigung ging insbesondere eine wirksame Abmahnung des Verpächters in Textform voraus. Nach BGH-Rechtsprechung muss aus der Erklärung des Verpächters für den Pächter deutlich werden, dass die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel steht und er für den Fall weiterer Verstöße mit rechtlichen Konsequenzen rechnen muss (BGH, Urt. v. 12.10.2011, VIII ZR 3/11). Jedenfalls das Schreiben vom 27.3.2023 erfüllt gerade noch die Anforderungen an eine Abmahnung nach vorstehenden Kriterien.

Der Kleingartenverein machte noch deutlich genug, dass der Kläger bei mehrfachen Verstößen kündigen kann. Da der BGH voraussetzt, dass aus der Erklärung für den Pächter und nicht für einen verständigen Dritten deutlich werden muss, dass die weitere Zusammenarbeit auf dem Spiel steht, sind auch die weiteren Umstände in die Auslegung der Erklärung einzubeziehen. Zu diesen zählten hier die zuvor an den Beklagten gerichteten Schreiben. Aus diesen ergab sich, dass Verstöße bis zur letzten Abmahnung wiederholt bemängelt würden. Daraus konnte der Beklagte zum Zeitpunkt des Schreibens vom 27.3.2023 schließen, dass nach Ablauf der dort gesetzten Frist zur Beseitigung der Verstöße die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel stand und er mit rechtlichen Konsequenzen - wie einer Kündigung - rechnen musste. Entgegen der Ansicht des Beklagten bedurfte es eben keiner konkreten Androhung einer Kündigung.

Die Kündigung war ferner materiell wirksam. Auch zum Schluss der mündlichen Verhandlung lag noch keine kleingärtnerische Nutzung vor. Etwas anderes ergab sich auch nicht daraus, dass der Beklagte vorgetragen hatte, er habe seinen kleingärtnerischen Verpflichtungen wegen der Erkrankung seiner Ehefrau zwischenzeitlich nicht nachkommen können. Denn es war nicht entscheidungserheblich, aus welchen Gründen der Beklagte nicht dazu in der Lage war, den angemahnten Verstößen rechtzeitig abzuhelfen. Sofern ein Pächter aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen daran gehindert ist, die Bewirtschaftung der Parzelle selbst durchzuführen, ist es ihm grundsätzlich zumutbar und erlaubt, sich hierbei - ggf. entgeltlich - unterstützen zu lassen, also der Hilfe Dritter zu bedienen (AG München, Urt. v. 7.4.2016 - 432 C 2769/16).

Ferner sind die in § 9 BKleingG geregelten Kündigungsgründe nicht mit dem Sozialschutz der §§ 573 f. BGB vergleichbar, sondern tragen Kündigungsbedürfnissen des Verpächters Rechnung. Der BGH misst den Interessen des Verpächters an der Sicherstellung der ordnungsgemäßen kleingärtnerischen Nutzung und der Förderung des Wohls der Gemeinschaft der Kleingärtner in der Anlage große Bedeutung bei (vgl. BGH 21.2.2013 - III ZR 266/12). Erfolgt eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Kleingartens auch nach mehrfachen Er- bzw. Abmahnungen nahezu ein Jahr lang nicht, bleibt nach Wertung des BGH kein Raum für eine abweichende Bewertung, die eine etwaige Treuwidrigkeit der Kündigung begründen würde.

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