17.04.2024

Verjährung des Anspruchs des Käufers auf Eigentumsverschaffung an einem Grundstück beginnt erst mit Fälligkeit

Die Verjährungsfrist für synallagmatisch verbundene Ansprüche aus einem Vertragsverhältnis beginnt erst mit der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs. Für den Anspruch des Käufers auf Eigentumsverschaffung an einem Grundstück, der nach den vertraglichen Bedingungen nicht sofort fällig ist, beginnt die Verjährungsfrist nicht schon mit Vertragsschluss, sondern erst mit der Fälligkeit. Erst dann ist der Eigentumsverschaffungsanspruch i.S.v. § 200 BGB entstanden.

BGH v. 15.3.2024 - V ZR 224/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger verkaufte der Beklagten mit notariellem Vertrag vom 20.8.2004 ein Grundstück zu einem Kaufpreis von 216.000 €. In dem Vertrag erklärten die Parteien die Auflassung und wiesen den Notar an, den Antrag auf Vollzug der Auflassung bei dem Grundbuchamt erst zu stellen, wenn der Kläger dem schriftlich zustimmt oder wenn die Beklagte bestätigt hat oder wenn dem Notar in anderer Weise nachgewiesen ist, dass der geschuldete Kaufpreis bezahlt ist; die Beklagte verzichtete auf ihr Recht, selbst den Antrag auf Eigentumsumschreibung zu stellen. Von dem Kaufpreis sollte ein Teilbetrag von 80.000 € sofort auf das Anderkonto des Notars gezahlt werden, um die Lastenfreistellung des Grundstücks zu erreichen. Aus den vertraglichen Reglungen ergibt sich, dass der Kläger beabsichtigte, mit einem Teil des Kaufpreises ein etwa gleich großes Anwesen im Umkreis von 30 km (Ersatzobjekt) zu erwerben; er sollte sich um den Erwerb bemühen, und die Beklagte sollte ihn hierbei unterstützen. Für den Fall, dass bis zum 1.9.2007 kein Ersatzobjekt gefunden wurde, sollte ein Mietvertrag für das gesamte Objekt abgeschlossen werden. Im Hinblick auf diese Regelungen wurde für den restlichen Kaufpreis Folgendes vereinbart:

"Der verbleibende Kaufpreisrest ist innerhalb von 10 Tagen zu bezahlen, nachdem der Verkäufer den Käufer zur Zahlung schriftlich aufgefordert hat. Die Aufforderung ist erst möglich nach Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen vom vorgenannten Anderkonto. Bei Aufforderung hat der Verkäufer dem Käufer die ganze oder teilweise Verwendung des Betrages zur Finanzierung des vom Verkäufer zu erwerbenden Ersatzobjekts glaubhaft zu machen. Der Kaufpreisrest ist jedenfalls mit dem Ableben des Verkäufers fällig. Der Verkäufer tritt bereits heute den Anspruch auf Zahlung des Kaufpreisrestbetrages an seine Tochter ab."

Die Beklagte zahlte den Teilbetrag des Kaufpreises von 80.000 € auf das Anderkonto des Notars. Zu ihren Gunsten wurde im September 2004 eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Der Erwerb eines Ersatzgrundstücks war dem Kläger bereits wenige Jahre nach Abschluss des Kaufvertrags nicht möglich, nach eigenem Vorbringen von Anfang an nicht. Der Kläger forderte die Beklagte nicht zur Zahlung des Restkaufpreises auf; die Eigentumsumschreibung ist bis heute nicht erfolgt. Gestützt auf die Verjährung des Übereignungsanspruchs der Beklagten verlangt der Kläger mit der im November 2021 erhobenen Klage von der Beklagten die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung. In der Folge hinterlegte die Beklagte den restlichen Kaufpreis i.H.v. 136.000 € zu Gunsten der Tochter des Klägers.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Die Annahme des OLG, der Übereignungsanspruch der Beklagten sei verjährt, ist rechtsfehlerhaft.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Anspruch sowohl i.S.v. § 200 BGB als auch i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Dafür genügt es nicht, dass der Schuldner die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat. Vielmehr ist darüber hinaus grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs erforderlich, da erst von diesem Zeitpunkt an (§ 271 Abs. 2 Halbs. 1 BGB) der Gläubiger mit Erfolg die Leistung fordern und nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung durch Klageerhebung hemmen kann.

Nichts anderes gilt für die synallagmatisch verknüpften vertraglichen Ansprüche auf Leistung und Gegenleistung bei einem Grundstückskaufvertrag. Die von dem OLG zitierte Entscheidung des Senats vom 19.5.2006 (V ZR 40/05) ist nicht so zu verstehen, dass für Ansprüche aus einem gegenseitigen Vertrag die Verjährung immer bereits mit Vertragsschluss beginnt, ohne dass es auf die Fälligkeit ankäme. Zu dem Entstehen von Ansprüchen i.S.v. §§ 199, 200 BGB als Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist verhält sich die Entscheidung nicht, sondern nur zu § 390 Satz 2 BGB a.F. und der Frage, wann ein Anspruch im Hinblick auf eine Aufrechnungslage entstanden ist. Sie ist auf das Verjährungsrecht nicht übertragbar. Die Verjährungsfrist für synallagmatisch verbundene Ansprüche aus einem Vertragsverhältnis beginnt erst mit der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs.

Danach ist der Anspruch der Beklagten auf Eigentumsverschaffung i.S.d. § 200 BGB nur dann entstanden, wenn er fällig geworden ist. Dazu hat das OLG - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Zugunsten der Beklagten ist deshalb für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass ihr Übereignungsanspruch nicht fällig geworden ist. Dann konnte die Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnen. Dem Kläger steht infolgedessen die Einrede der Verjährung nicht zu, und er kann die Beseitigung der Vormerkung nicht verlangen (§ 886 BGB).

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