08.04.2024

Verletzter Polizeibeamter erhält kein Schmerzensgeld

Bei der Frage des Ob des Schmerzensgelds ist das Vorverhalten des Geschädigten zu berücksichtigen. Ein Schmerzensgeld kann insbesondere dann ganz entfallen, wenn die Auseinandersetzung, aus der die Verletzung folgte, vom Geschädigten erheblich mit provoziert wurde, sodass dem Geschädigten ein gewichtiges Mitverschulden nach § 254 BGB zur Last fällt.

AG Düsseldorf v. 26.2.2024 - 37 C 158/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Polizeikomissar in Düsseldorf. Er war am 1.3.2022 als Beifahrer eines Polizeiwagens im Dienst. Gegen 08:20 Uhr fuhren sie gegen die Fahrtrichtung einer Einbahnstraße, ohne dabei Blaulicht oder Einsatzhorn eingeschaltet zu haben. Der heute über 70-jährige Beklagte hatte zur gleichen Zeit sein Wohnhaus verlassen, um zu joggen. Er sah das gegen die Einbahnstraße fahrende Polizeifahrzeug. In der Annahme, ein Polizeifahrzeug dürfe ohne Sondersignale nicht gegen die Fahrtrichtung einer Einbahnstraße fahren, wies er die Polizeibeamten darauf hin, dass es sich um eine Einbahnstraße handele. Im weiteren Verlauf kam es zu einer Diskussion und die Beamten stiegen aus dem Auto.

Im weiteren Verlauf der Diskussion forderten der Kläger und sein Kollege den Beklagten auf, seine Personalien anzugeben und den Ausweis vorzuzeigen. Als der Beklagte dem nicht nachkam, brachten die Polizeibeamten den Beklagten zu Boden, legten Handfesseln an und durchsuchten ihn vergeblich nach einem Ausweisdokument. Dabei zog sich der Kläger Schürfwunden an beiden Unterarmen, am Ellenbogen sowie am rechten Knie zu. Außerdem behauptete der Kläger, der Beklagte habe auf die Frage hin, wo sich seine Wohnung befinde, dem Kläger ins Gesicht geschrien, woraufhin der Kläger den Kopf des Beklagten an die Wand gedrückt habe, woraufhin wiederum der Beklagte dem Kläger in den linken Zeigefinger gebissen habe. Der Kläger habe hierdurch ein Hämatom erlitten und habe zwei Wochen lang ein Taubheitsgefühl im Finger gehabt, dienstunfähig sei er nicht gewesen.

Das AG hat die auf Schmerzensgeldes i.H.v. 650 € gerichtete Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Zwar lag eine dem Beklagten zurechenbare Verletzung des Körpers und der Gesundheit des Klägers gem. § 823 Abs. 1 BGB vor. Sowohl die Schürfwunden, die der Kläger bei der Durchsuchung auf der Straße erlitten hatte als auch der Fingerbiss waren dem Beklagten zurechenbar. Allerdings ist nach § 253 Abs. 2 BGB eine Entschädigung in Geld nicht zwingende Folge jeder Körperverletzung, vielmehr handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Der Richter hat sich deshalb in erster Linie an der Bedeutung der konkreten Gesundheitsverletzung für die Lebensführung des Verletzten auszurichten.

Hieraus folgte, dass es hinsichtlich der Schürfwunden des Klägers an Armen und Beinen keines Schmerzensgelds zur Genugtuung bedurfte, da der Beklagte diese nicht durch zielgerichtetes absichtliches Handeln dem Kläger zugefügt hatte. Der Kläger hatte sich die Schürfwunden indirekt zugezogen bei der Fixierung des Beklagten im Rahmen des Einsatzes. Die Hautverletzungen bewegten sich im Rahmen eines einsatztypischen Risikos leichter Verletzungen und rechtfertigten unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger als Polizeibeamter für solche Situationen ausgebildet ist und es sich um eine berufstypische Situation ohne direkten Angriff auf den Kläger als Person handelte, keine Geldentschädigung als Genugtuung.

Anders verhielt es sich bei dem Biss in den Fingernagel. Hierbei handelte es sich um einen zielgerichteten Angriff des Beklagten auf den Kläger, der grundsätzlich auch dann zu einer Geldentschädigung führen kann, wenn - wie hier - der Kläger nicht dienstunfähig war und die Beeinträchtigung sich auf ein Taubheitsgefühl im Finger beschränkt, denn dies ist eine spürbare Beeinträchtigung im Alltag. Allerdings war bei der Frage des Ob des Schmerzensgelds, das Vorverhalten des Geschädigten zu berücksichtigen. Ein Schmerzensgeld kann insbesondere dann ganz entfallen, wenn die Auseinandersetzung, aus der die Verletzung folgte, vom Geschädigten erheblich mit provoziert wurde, sodass dem Geschädigten ein gewichtiges Mitverschulden nach § 254 BGB zur Last fällt.

Im Fall der Gegenwehr gegen einen Polizeieinsatz kommt als schmerzensgeldausschließendes Mitverschulden gem. § 254 BGB insbesondere in Betracht, dass der Einsatz unzweckmäßig war, da die Eskalation durch zumutbares deeskalierendes Handeln hätte naheliegend verhindert werden können oder der Einsatz sogar rechtswidrig war. Das Polizeihandeln war im vorliegenden Fall rechtswidrig, weil dem Beklagten vor der Durchsuchung nach Ausweisdokumenten und der Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Verbringung des Beklagten zu seiner Wohnung nicht der Grund für die Ausweiskontrolle in ausreichend konkretem Maße eröffnet worden war.

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