27.03.2024

Wirksame Einreichung per beA: Qualifizierte elektronische Signatur des einfach elektronisch signierten Schriftsatzes des Anwaltskollegen

Signiert ein Mitglied einer mandatierten Anwaltssozietät einen Schriftsatz, den ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät verfasst und einfach elektronisch signiert hat, in qualifiziert elektronischer Form und reicht diesen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach bei Gericht ein, ist dies wirksam. Eines klarstellenden Zusatzes ("für") bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nicht.

BGH v. 28.2.2024 - IX ZB 30/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangt von dem beklagten Rechtsanwalt als seinem früheren Prozessbevollmächtigten Schadensersatz. Das AG gab der Klage statt. Gegen das dem Beklagten am 15.2.2023 zugestellte Urteil legte dieser mit am 23.2.2023 beim LG eingegangenen Schriftsatz Berufung ein. Dabei legitimierte sich für den Beklagten die Rechtsanwaltssozietät G., welcher der Beklagte selbst angehört. Das LG gewährte die zugleich beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.5.2023.

Am 15.5.2023 ging eine auf denselben Tag datierte Berufungsbegründung als elektronisches Dokument beim LG ein. Der Schriftsatz schließt am Ende mit dem maschinenschriftlich eingefügten Namen des Beklagten und dem Zusatz Rechtsanwalt ab. Der Schriftsatz ist zudem mit der qualifizierten elektronischen Signatur des ebenfalls der Sozietät des Beklagten angehörenden Rechtsanwalts J. versehen, über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach der Schriftsatz an das Gericht übermittelt wurde.

Das LG verwarf die Berufung als unzulässig. Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Der Beklagte hat seine Berufung innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist wirksam unter Beachtung der Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 Fall 1 ZPO begründet.

Gem. § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Zum einen kann der Rechtsanwalt also den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 ZPO einreichen.

Die einfache Signatur hat in dem zuletzt genannten Fall die Funktion zu dokumentieren, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehmenden Person identisch ist; ist diese Identität nicht feststellbar, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht. Wird der Schriftsatz hingegen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, entsprechen deren Rechtswirkungen unmittelbar denen einer handschriftlichen Unterschrift des Rechtsanwalts gem. § 130 Nr. 6 ZPO. Durch die Einreichung eines elektronischen Dokuments mit der qualifizierten Signatur eines Rechtsanwalts übernimmt dieser mithin nicht anders als bei einer handschriftlichen Unterzeichnung eines Schriftsatzes die Verantwortung für dessen Inhalt und ist daher verantwortende Person i.S.v. § 130a Abs. 3 Fall 1 ZPO. Der Übernahme der Verantwortung durch den qualifiziert elektronisch signierenden und von der Partei bevollmächtigten Rechtsanwalt für den Schriftsatzinhalt steht es nicht entgegen, dass das elektronische Dokument am Schluss seiner Ausführungen den Namen eines anderen Rechtsanwalts als Verfasser nennt.

Nach bisheriger BGH-Rechtsprechung war die eigenhändige Unterschrift des Rechtsanwalts Wirksamkeitsvoraussetzung für einen bestimmenden Schriftsatz. Für den Anwaltsprozess bedeutete dies allerdings nicht, dass der Schriftsatz notwendig von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt selbst verfasst werden musste. Maßgeblich war vielmehr allein, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt den ggf. von einem anderen formulierten Schriftsatz nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigte und unterschrieb. Danach verstand es sich für einen unterzeichnenden Rechtsanwalt von selbst, mit seiner Unterschrift zugleich auch eine entsprechende Verantwortung für den bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen. Es bedurfte auch nicht eines klarstellenden Zusatzes, wie etwa der Verwendung des Worts "für". Bereits dem Umstand der Unterzeichnung des Schriftsatzes durch einen anderen Rechtsanwalt an sich lässt sich entnehmen, dass er an Stelle des Verfassers die Unterschrift leisten und damit als weiterer Hauptbevollmächtigter oder Unterbevollmächtigter der Partei auftreten wollte.

Für den elektronischen Rechtsverkehr gilt nichts anderes. Die qualifizierte elektronische Signatur entspricht der Unterschrift des Rechtsanwalts. Der Rechtsanwalt, der das zuvor von einem anderen verfasste elektronische Dokument, das auch mit dessen Namen und Berufsbezeichnung abschließt, qualifiziert elektronisch signiert, bringt wie mit seiner eigenhändigen Unterschrift ohne weitere Voraussetzungen im Zweifel seinen unbedingten Willen zum Ausdruck, mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und dessen Inhalt zu verantworten und den Mandanten als weiterer Hauptbevollmächtigter oder zumindest als Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats zu vertreten. Auch insoweit bedarf es daher keines klarstellenden Zusatzes eines Vertretungsverhältnisses, insbesondere nicht der Verwendung des Worts "für".

Diese Maßstäbe hat das LG nicht beachtet. Es unterliegt keinem Zweifel, dass Rechtsanwalt J als sozietätsangehöriger und somit von dem Beklagten bevollmächtigter Rechtsanwalt diesen mit Anbringung seiner qualifizierten elektronischen Signatur hat vertreten wollen. Damit hat Rechtsanwalt J zugleich i.S.v. § 130a Abs. 3 Satz 1 Fall 1 ZPO die Verantwortung für den Inhalt des von seinem Kollegen verfassten und von diesem nur einfach signierten Berufungsbegründungsschriftsatz übernommen.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | ZPO
§ 130a Elektronisches Dokument; Verordnungsermächtigung
Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
10/2023

Rechtsprechung:
Berufungseinlegung per beA ohne Signatur
OLG Zweibrücken vom 04.12.2023 - 9 U 141/23
MDR 2024, 462
MDR0065488

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