22.04.2024

Zivilgericht ist bei Verdacht einer Abrede zur Schwarzarbeit nicht an "unstreitiges" Parteivorbringen gebunden

Ist ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, hat es die daraus folgende Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben. Die Dispositionsmaxime des Zivilrechts findet in den Fällen ihre Grenze, in denen die Parteien gemeinsam vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen. Die Folgen können nicht durch übereinstimmenden wahrheitswidrigen Parteivortrag umgangen werden.

OLG Hamm v. 6.3.2024 - 12 U 127/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Unternehmer eines Garten- und Landschaftsbaubetriebes. Der Beklagte beabsichtigte, den Garten seines Grundbesitzes umzugestalten. Durch einen gemeinsamen Bekannten wurde der Kontakt zum Kläger hergestellt. Die Parteien trafen sich Ende Mai 2020 am Grundstück des Beklagten und besprachen, welche Arbeiten durchgeführt werden sollten. Der Kläger erstellte daraufhin einen Kostenvorschlag über 16.645 €, der keine Mehrwertsteuer auswies, und übermittelte diesen per E-Mail dem Beklagten. Der Beklagte erklärte sich damit per WhatsApp vom 26.7.2020 einverstanden. Am 18.9.2020 nahm der Beklagte die Arbeiten auf; wegen winterlicher Witterung wurden sie am 15.12.2020 unterbrochen.

Die Arbeiten des Klägers wurden letztlich nicht fertiggestellt, die Zusammenarbeit der Parteien beendet. Am 20.4.2021 erteilte der Kläger eine Schlussrechnung über 21.843 € inkl. 16 % Umsatzsteuer, die der Beklagte nicht beglich. Stattdessen erklärte dieser am 7.6.2021 den Widerruf vom Vertrag und bot an, den von ihm selbst ermittelten noch offenen Betrag von 1.700 € zu zahlen. Der Kläger nahm den Beklagten gerichtlich auf Zahlung des Rechnungsbetrags in Anspruch. Der Beklagte verlangte widerklagend die Rückzahlung von angeblich geleisteten Barzahlungen i.H.v. 10.000 €.

Das LG hat sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen. Die Parteien hätten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen, die nach § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge habe. Der Kläger habe verbotene Schwarzarbeit geleistet, indem er insgesamt 10.000 € in bar und ohne Rechnungsstellung verlangt und entgegengenommen habe. Dies habe der Beklagte erkannt und bewusst zu seinem eigenen Vorteil ausgenutzt. Sein Anspruch auf Rückzahlung sei gem. § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Beide hiergegen gerichtete Berufungen blieben vor dem OLG erfolglos. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Wechselseitige Ansprüche der Parteien aus dem streitgegenständlichen Vertrag bestanden nicht, weil dieser nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nichtig war.

Der Kläger hat gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen, indem er bereits bei Vertragsschluss beabsichtigt hatte, für die vereinbarte Vergütung keine Umsatzsteuer zu verlangen und abzuführen. Der Beklagte hatte dies von Anfang an erkannt und bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt, indem er mit dem Beklagten ein um den Umsatzsteueranteil verringertes Entgelt vereinbart hat. Dies war ausreichend, um einen zur Nichtigkeit des Vertrages führenden Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG anzunehmen (BGH-Urt. v. 10.4.2014 - VII ZR 241/13; Urt. v. 1.8.2013 - VII ZR 6/13; Urt. v. 11.6.2015 - VII ZR 216/14).

Zwar hatten die Parteien übereinstimmend vorgetragen, sie hätten keine Ohne-Rechnung-Abrede getroffen, womit die Voraussetzungen einer Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nicht mehr vorlägen. Nach einer Auffassung ist ein Zivilgericht unter der Geltung des Beibringungsgrundsatzes an die Behauptung der Parteien gebunden. Nach anderer Auffassung ist ein Zivilgericht trotz des übereinstimmenden gegenteiligen Vorbringens der Parteien, es sei keine Absprache zum Zweck der Steuerverkürzung getroffen worden, nicht an dermaßen "unstreitiges" Vorbringen gebunden. Der Senat hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen.

Ist ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, hat es die daraus folgende Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben. Die Dispositionsmaxime des Zivilrechts findet in den Fällen ihre Grenze, in denen die Parteien gemeinsam vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen. Die Folgen dieses Verstoßes können nicht durch übereinstimmenden wahrheitswidrigen Parteivortrag umgangen werden. Es ist den Parteien nicht möglich, die Folgen des Gesetzes mit Hilfe zivilprozessualer Vorschriften nachträglich zu umgehen, wenn ein Zivilgericht von den Tatsachen überzeugt ist, die einen Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG begründen.

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