28.03.2014

Deutsche dürfen vor Gerichten in der italienischen Provinz Bozen die deutsche Sprache gebrauchen

Die Möglichkeit, die deutsche Sprache vor den Zivilgerichten der Provinz Bozen zu gebrauchen, darf nicht allein den in dieser Region wohnhaften italienischen Bürgern vorbehalten werden. Diese Möglichkeit muss vielmehr jeder Unionsbürger haben.

EuGH 27.3.2014, C-322/13
Hintergrund:
Vor den italienischen Zivilgerichten ist der Gebrauch der italienischen Sprache vorgeschrieben. Jedes in einer anderen Sprache abgefasste Schriftstück ist nichtig. Für die Gerichte in der Provinz Bozen besteht jedoch eine Ausnahme: Die in dieser Region wohnhaften italienischen Bürger haben die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu gebrauchen. Diese Ausnahme soll die ethnisch-kulturelle deutschsprachige Minderheit in der Provinz Bozen schützen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin, eine deutsche Skifahrerin, verletzte sich auf einer Piste in der Provinz Bozen in Italien. Sie nimmt die Beklagte, eine tschechische Skifahrerin, die den Unfall verursacht haben soll, auf Schadensersatz in Anspruch. Der verfahrenseinleitende Schriftsatz und die Klagebeantwortung wurden in Deutsch verfasst.

Das Landesgericht Bozen müsste diese Akte nach den italienischen Rechtsvorschriften für nichtig erklären. Es zweifelt jedoch daran, ob dies mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Das Gericht fragt den EuGH daher im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dass die Möglichkeit, vor den Gerichten der Provinz Bozen die deutsche Sprache zu gebrauchen, allein den in dieser Region wohnhaften italienischen Bürgern vorbehalten ist.

Die Gründe:
Das Unionsrecht - insbesondere speziell das Verbot jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und die den Unionsbürgern garantierte Freizügigkeit - steht einer nationalen Regelung entgegen, die das Recht, in Zivilverfahren vor den Gerichten einer bestimmten Gebietskörperschaft des betreffenden Mitgliedstaats eine andere Sprache als dessen Amtssprache zu gebrauchen, allein den in dieser Gebietskörperschaft wohnhaften Angehörigen dieses Staates einräumt. Diese Frage hat der EuGH in Bezug auf Strafverfahren vor den Gerichten der Provinz Bozen bereits bejaht. Die dafür maßgebenden Erwägungen gelten letztlich für alle Gerichtsverfahren in der betreffenden Gebietskörperschaft.

Keines der von der italienischen Regierung in der vorliegenden Rechtssache vorgetragenen Argumente kann die fragliche Regelung rechtfertigen. Das Argument, wonach das Verfahren erschwert würde, wenn Unionsbürger die deutsche Sprache verwenden könnten, wird durch die Angaben des Landesgerichts Bozen entkräftet, dass die Richter der Provinz Bozen in der Lage sind, Gerichtsverfahren sowohl in Italienischer als auch in deutscher Sprache zu führen. Der Einwand, dass Italien durch die Anwendung dieser Sprachenregelung zusätzliche Kosten entstünden, vermag als rein wirtschaftliches Motiv keine Beschränkung einer vom Unionsrecht garantierten Grundfreiheit zu rechtfertigen.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 40 vom 27.3.2014
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