16.07.2013

Zum Ankaufsrecht des Landes an begrünten privaten Innenhöfen im früheren Ostteil von Berlin

Das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz (VerkFlBerG) gibt öffentlichen Nutzern privater Grundstücke einen gesetzlichen Anspruch auf Verkauf von vor der Wiedervereinigung in Anspruch genommenen Flächen zu einem festgelegten Preis. Der BGH hat nun die die Ankaufsbedingungen geklärt.

BGH 12.7.2013, V ZR 85/12
Der Sachverhalt:
Den Beklagten gehört ein älteres Miethaus mit einem Innenhof im Bezirk Pankow in Berlin. Der Innenhof war ursprünglich vollständig von dem Miethaus sowie den angrenzenden Miethäusern anderer Eigentümer umgeben. Im Jahr 1982 wurde im Rahmen einer damals sog. Volkswirtschaftlichen Masseninitiative (VMI) eine Reihe von privaten Innenhöfen unter Mitwirkung von Bürgern begrünt und verschönert. Darunter befand sich auch - unter zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen Umständen - eine Teilfläche des Innenhofs auf dem Grundstück der Beklagten. Dieser wurde bepflanzt und mit Wegen, Beeten, einem Spielplatz sowie einer Hirschskulptur versehen, weshalb er seitdem Hirschhof heißt.

Dieser Hirschhof war längere Zeit für die Öffentlichkeit zugänglich. Das Land Berlin versuchte zunächst mit den Beklagten und den anderen Eigentümern zu einer Einigung über die Nutzung des Hofes zu gelangen, brach die Verhandlung dann aber ab und beantragte ein notarielles Vermittlungsverfahren nach dem VerkFlBerG, das am Widerstand der Beklagten scheiterte. Es beantragte daraufhin, seine Berechtigung festzustellen, den Beklagten den begrünten Teil des Innenhofs zu dem im VerkFlBerG für Verkehrsflächen vorgeschriebenen Preis - höchstens 15 €/m² - abzukaufen. Zu Verkehrsflächen gehören nach dem Gesetz auch öffentliche Grünanlagen.

Das LG wies die Klage ab; das KG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das KG zurück.

Die Gründe:
Das Berufungsurteil war wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben. Das KG hatte es versäumt, die von dem Land für seine Behauptung, der Hirschhof sei von jeher der Öffentlichkeit zugänglich gewesen, benannten Zeugen zu vernehmen.

Für die neue Verhandlung hat der Senat zu den nachfolgenden, für den Ausgang des Rechtsstreits wesentlichen Rechtsfragen folgende Hinweise gegeben:

1. Ist die Begrünung des Hirschhofs eine tatsächliche Inanspruchnahme für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe (§ 1 Abs. 1 S. 1 VerkFlBerG)?
Die Schaffung von Grünanlagen dient der Daseinsvorsorge und damit einer Verwaltungsaufgabe. Ein privater Innenhof ist aber normalerweise der Öffentlichkeit nicht frei zugänglich und bleibt ein befriedetes privates Besitztum, auch wenn man ihn durch die offene Haustür oder eine Toreinfahrt betreten könnte. Anders kann es sein, wenn in einem Innenhof eine auch für die Öffentlichkeit zugängliche "Stadtoase" geschaffen und diese durch den Staat der Öffentlichkeit geöffnet wird.

2. Besteht der Ankaufsanspruch des Staats nur, wenn die öffentliche Nutzung überwiegt?
Auch wenn ein begrünter Innenhof der Öffentlichkeit zugänglich ist, bleibt er jedenfalls auch ein privater Innenhof, den die Bewohner der angrenzenden Miethäuser privat nutzen. Das VerkFlBerG regelt eine solche Mischnutzung bei Gebäuden und bestimmt (§ 1 Abs. 1 S. 5 VerkFlBerG), dass in diesem Fall ein Ankaufsrecht des Staats nur bestehen soll, wenn die öffentliche Nutzung überwiegt. Der BGH hat entschieden, dass diese Regelung auch für andere Formen einer gemischten staatlichen und privaten Nutzung gilt, z.B. für die vorliegende Nutzung eines Innenhofs.

3. Gilt der Ankaufspreis von bis zu 15 €/m² auch für eine Innenhofbegrünung?
Der genannte niedrige Preis gilt für Verkehrsflächen. Zu diesen gehören neben den Straßen, Wegen und Plätzen auch öffentliche Parks und Grünanlagen. Eine Grünanlage liegt aber nicht schon vor, wenn einen Fläche überhaupt begrünt ist, sondern nur, wenn die Nutzung gärtnerisch gestalteter Natur zur Erholung der Anlage ihr Gepräge gibt. Für die sog. "Plansche" in der Nähe des ehemaligen Berliner Nordbahnhofs hat der BGH das verneint (Urt. v. 20.1.2006, Az.: V ZR 122/05), weil sie ein begrünter Kinderspielplatz ist. Im vorliegenden Fall muss nun festgestellt werden, ob der Hirschhof nur ein begrünter Innenhof oder eine Grünanlage in einem Innenhof ist.

Maßgeblich ist bei der Beantwortung aller drei Fragen der Zustand am 3.10.1990, der auch heute noch vorhanden sein muss.

Hintergrund:
Das VerkFlBerG gibt öffentlichen Nutzern privater Grundstücke einen gesetzlichen Anspruch auf Verkauf von vor der Wiedervereinigung in Anspruch genommenen Flächen zu einem festgelegten Preis. Der Preis beträgt bei Flächen, auf denen sich Straßen, Wege, Plätze, Eisenbahnlinien oder auch Parks und Grünanlagen befinden, ein Fünftel des Verkehrswerts, höchstens jedoch - je nach Gemeindegröße - zwischen 5€/m² und 15 €/m², in Berlin also höchstens 15 €/m².

Diese Regelung war notwendig geworden, weil in der DDR auch bei der Errichtung von Verkehrsanlagen, Verwaltungsgebäuden, See- und Verkehrsflughäfen, Parks und anderen öffentlichen Einrichtungen die rechtlichen Verhältnisse oft nicht beachtet und solche Einrichtungen auch auf privaten Grundstücken errichtet wurden, ohne mit den Eigentümern die erforderlichen rechtlichen Regelungen zu treffen. Solange die DDR bestand, blieb das folgenlos, weil der Eigentümer keine Aussicht gehabt hätte, den Staat auf Herausgabe seines Grundstücks zu verklagen. Nach der Wiedervereinigung mussten auch diese Nutzungsverhältnisse neu geordnet werden. Dem dient das VerkFlBerG.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 124 vom 16.7.2013
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