08.06.2016

Zur Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat frei gewählten Nachnamens mit mehreren Adelsbestandteilen

Ein Nachname, der mehrere Adelsbestandteile enthält und von einem Deutschen in einem anderen Mitgliedstaat, dessen Angehörigkeit der Betroffene ebenfalls besitzt, frei gewählt wurde, muss in Deutschland nicht zwangsläufig anerkannt werden. Die Anerkennung kann verweigert werden, wenn dies geeignet und erforderlich ist, um die Gleichheit aller deutschen Staatsbürger vor dem Gesetz sicherzustellen.

EuGH 2.6.2016, C-438/14
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller, Nabiel Peter Bogendorff von Wolffersdorff, geboren im Jahr 1963 in Deutschland, erwarb während eines Aufenthalts in Großbritannien von 2001 bis 2005, wo er als Insolvenzberater in London arbeitete, zusätzlich zu seiner deutschen Staatsangehörigkeit die britische Staatsangehörigkeit. Er ließ dort seine Vornamen und seinen Nachnamen in Peter Mark Emanuel Graf von Wolffersdorff Freiherr von Bogendorff ändern.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland begehrte er vom Standesamt der Stadt Karlsruhe die Eintragung dieser Änderung und die Aufnahme seines nach britischem Recht erworbenen neuen Namens in die Register. Da das Standesamt dies ablehnte, wandte sich Herr Bogendorff von Wolffersdorff an das AG Karlsruhe. Dieses möchte vom EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens wissen, ob das Unionsrecht einer solchen Ablehnung der Anerkennung entgegensteht.

Die Gründe:
Die Weigerung der Behörden eines Mitgliedstaats, die Vor- und Nachnamen eines Angehörigen des Mitgliedstaats so anzuerkennen, wie sie in einem anderen Mitgliedstaat, dessen Angehörigkeit der Betroffene ebenfalls besitzt, bestimmt und eingetragen wurden, stellt eine Beschränkung der Freizügigkeit der Unionsbürger dar. Vorliegend läuft der Antragsteller Gefahr, aufgrund der Verschiedenheit seiner Namen Zweifel an der Identität seiner Person ausräumen zu müssen. Allerdings hat bereits die Weimarer Verfassung von 1919 in Deutschland die Vorrechte und die Adelstitel aufgehoben. Sie verbietet zudem die Schaffung von Titeln, die den Anschein einer adeligen Herkunft erwecken, damit die Gleichheit aller deutschen Staatsbürger vor dem Gesetz sichergestellt ist. Daher kann vorliegend die Weigerung der Behörde mit Erwägungen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt werden.

Ungeachtet der Tatsache, dass es nach wie vor deutsche Staatsbürger gibt, deren Namen Bestandteile enthalten, die alten Adelsbezeichnungen entsprechen, liefe es der Absicht des Gesetzgebers zuwider, wenn deutsche Staatsangehörige die aufgehobenen Adelsbezeichnungen neuerlich annähmen, indem sie sich das Recht eines anderen Mitgliedstaats zunutze machten. Wenn ein Angehöriger eines Mitgliedstaats auch die Angehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzt, in dem er einen Namen erworben hat, den er frei gewählt hat und der mehrere nach dem Recht des erstgenannten Mitgliedstaats nicht zulässige Adelsbestandteile enthält, sind die Behörden dieses erstgenannten Staates daher nicht zur Anerkennung des fraglichen Nachnamens verpflichtet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn erwiesen ist, dass eine solche Ablehnung der Anerkennung geeignet und erforderlich ist, um sicherzustellen, dass der Grundsatz der Gleichheit aller Bürger des betreffenden Mitgliedstaats vor dem Gesetz gewahrt wird.

Bei der Abwägung zwischen den verschiedenen berechtigten Belangen wird das AG vorliegend u.a. zu berücksichtigen haben, dass der Antragsteller sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat und sowohl die deutsche als auch die britische Staatsangehörigkeit besitzt und dass die Bestandteile des im Vereinigten Königreich erworbenen Namens, der die deutsche öffentliche Ordnung beeinträchtigen soll, formell weder in Deutschland noch im Vereinigten Königreich Adelsbezeichnungen darstellen.

Andererseits wird das AG auch zu berücksichtigen haben, dass die fragliche Namensänderung auf einer Entscheidung aus rein persönlichen Gründen des Antragstellers beruht, dass die daraus folgende Namensabweichung weder auf die Umstände seiner Geburt noch auf eine Adoption und auch nicht auf den Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit zurückgeht und dass der im Vereinigten Königreich gewählte Name Bestandteile enthält, die, ohne in Deutschland oder im Vereinigten Königreich formell Adelsbezeichnungen darzustellen, den Anschein einer adeligen Herkunft erwecken. Allerdings können die öffentliche Ordnung und der Grundsatz der Gleichheit der deutschen Staatsangehörigen vor dem Gesetz es nicht rechtfertigen, dass der Änderung der Vornamen des Antragstellers die Anerkennung verweigert wird.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 56 vom 2.6.2016
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