21.07.2016

§ 81 II VVG: Anspruchskürzung auf Null wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzung

Überprüft ein Versicherungsnehmer die Funktionstüchtigkeit der Heizungen in von ihm vermieteten Wohnungen nicht und unterlässt gleichzeitig die Entleerung von Wasserleitungen trotz Tiefsttemperaturen, stellt dies eine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar und kann bei Leitungsschäden zum Ausschluss der Leistungspflicht der Versicherung führen.

LG Essen, 27.01.2016, 18 O 63/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Versicherungsnehmer einer Gebäudeversicherung. Die Beklagte ist die Versicherungsgesellschaft. Versichertes Gebäude ist ein bis Februar 2014 im Eigentum des Klägers stehendes Mehrfamilienhaus. Spätestens am 15.2.2012 trat im versicherten Gebäude im Dachgeschoss in erheblichem Umfang Leitungswasser aus. Zu diesem Zeitpunkt waren vier der acht Wohnungen des Gebäudes nicht vermietet. Tatsächlich standen sämtliche Wohnungen leer. Am 17.2.2012 zeigte der Kläger der Beklagten den beschriebenen Wasserschaden an.

Vier Wochen vor dem streitgegenständlichen Vorfall war die Dachgeschosswohnung vom Mieter geräumt worden. Von da an begab sich der Kläger mehrfach zu Kontrollzwecken in die Wohnung. In diesem Zeitraum war die Stromversorgung durch den städtischen Versorger in der Wohnung bereits abgestellt gewesen und die Gastherme war nicht in Betrieb. Der Mieter hatte, wie der Kläger wusste, zuvor über einen Zeitraum von sechs Monaten keine Miete gezahlt. Maßnahmen, die eine zumindest grundlegende Beheizung der Wohnung gesichert hätten, unternahm der Kläger nicht. Auch sorgte er nicht für eine Entleerung etwaiger Wasserleitungen in Dachgeschosswohnung und Hausflur. Maßnahmen zur Beheizung des Hausflurs hatte der Kläger ebenfalls nicht eingeleitet. Vom 3.2.2012 bis zum 14.2.2012 war der Kläger im Urlaub. In dieser Zeit fanden keine Gebäudekontrollen statt. Bereits zu Beginn des Monats Februar waren in der Nacht Temperaturen von bis zu - 14 Grad Celsius aufgetreten.

Die Beklagte lehnte eine Schadensregulierung ab. Der Kläger behauptet, die Überflutung des Gebäudes sei Folge eines bestimmungswidrigen Frostschadens. Eine durchgeführte Leck-Ortung hätte ergeben, dass auch in stillgelegten Toiletten im Hausflur des Gebäudes Leitungsrohre geplatzt waren. Von dem Umstand, dass in der Dachgeschosswohnung der Strom abgestellt worden war, habe er erst nach dem Schadenseintritt erfahren. Die Beklagte behauptet, der Kläger hätte bereits vor dem Schadensfall von der fehlenden Stromversorgung in der Dachgeschosswohnung gewusst. Sie beruft sich auf eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles, außerdem wegen des hohen Leerstandes auf einen Leistungsausschluss wegen nicht angezeigter Gefahrerhöhung und wegen arglistiger Täuschung.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte aus dem Gebäudeversicherungsvertrag auf Ersatz des Wasserschadens zu. Es scheint gerechtfertigt, den Leistungsanspruch gegen die Beklagte auf Null zu kürzen.

Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 1 S.1 VVG i.V.m. § 15 Abs.1 VGB 88. Diesem steht entgegen, dass der Kläger den streitgegenständlichen Schadensfall i. S. v. § 81 II VVG selbst grob fahrlässig herbeigeführt hat. Subjektiv erfordert die Vorschrift des § 81 VVG, dass im Rahmen eines unentschuldbaren Fehlverhaltens die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße verletzt und ganz einfache, nahe liegende Erwägungen vernachlässigt wurden. So lag der Fall hier.

Der Kläger war im Januar und Februar 2012 mehrfach in der Wohnung, in welcher es später zum Platzen des Leitungswasserrohres kam, und zwar zu einem Zeitpunkt, als der Strom bereits abgestellt war und auch die Heizung nicht mehr funktionierte. Ihm hätte dabei jedenfalls auffallen müssen, dass eine Stromversorgung und eine ordnungsgemäß Beheizung der Dachgeschosswohnung nicht mehr gewährleistet war. Dies gilt umso mehr, als der Kläger aufgrund des vorangegangenen Zahlungsverzuges des Mieters sogar konkrete Anhaltspunkte dafür hatte, dass möglicherweise auch die Stromrechnungen nicht beglichen worden waren. Dass der Kläger sich trotz der im Februar 2012  eingetretenen Tiefsttemperaturen von bis zu - 14 Grad Celsius weder von einem ordnungsgemäßen Funktionieren der Heizung überzeugte noch für eine Entleerung der Wasserleitungen Sorge trug, stellt eine besonders gröbliche Verletzung der Sorgfaltspflichten dar. Insbesondere wäre bei dieser Sachlage keine nicht versicherte Person in den Urlaub gefahren und hätte das Wohnhaus, das auch nach Kenntnisstand des Klägers einen erheblichen Leerstand aufwies, ohne vorherige Entleerung der Wasserleitungen und ohne eine Überprüfung der Beheizung in der Frostperiode sich selbst überlassen.

Auch hinsichtlich der behaupteten weiteren Rohrschäden im Bereich der stillgelegten Flurtoiletten wäre aus den aufgeführten Gründen von einer grob fahrlässigen Schadensverursachung durch den Kläger auszugehen. Auch hier wurde weder für eine Leitungsentleerung noch für eine Beheizung Sorge getragen.

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